Der zweite Tag auf der documenta 13 – Bericht von Susanne Haun

Als ich mir gerade meine Fotos zum zweiten Tag der documenta 13 anschaute, war ich enttäuscht. Keines kann wiedergeben, was ich gesehen habe.

Es war ein Tag für die Sinne und Reize und zum Nachdenken und ich bin einfach nur begeistert. Es ist kein Wunder, dass die Werke und die Stimmung nicht eingefangen werden können. Schon vor der Öffnung der Häuser spazierten wir in der Karlsraue; ein herrlicher Startpunkt ist dabei das Werk von der documenta 6 aus dem Haus-Rucker-Co (siehe Foto). Das Haus-Rucker-Co ist eine österreicheische Architekten und Künstlergruppe. Ich empfinde es als Bilderrahmen der Natur. Die Stimmung so früh ist noch voller Erwartung und es ist noch relativ leer und ruhig.

Die Projekte nachhaltiger Landwirtschaft von Claire Pentecost gefallen mir, der „Turm“ oder die „Säule“ mit Rhabarber, Pflücksalat und Kohlrabi verleitet mich zu den Gedanken, ob ich eine kleinere Version nächstes Jahr auf meinem Balkon versuche zu pflanzen.

Projekte nachhaltiger Landwirtschaft von Claire Pentecost
Projekte nachhaltiger Landwirtschaft von Claire Pentecost

In der Orangerie kann ich wieder in die Sterne schauen und mir sowohl die gemalten Bilder als auch die Computer von Konrad Zuse anschauen. Ich bin so oder so der Meinung, dass Kunst und Mathematik ganz nahe beieinander liegen und höchste Kreativität erfordern. Gefallen haben mir auch die „Love Letters“ von David Link und seine Röhren mit den klassischen Grünen Computer Binär Werten dazu. Ich finde es amüsant, Liebesbriefe von einem Computer generieren zu lassen. Das ist bestimmt „menschlicher“ als manch einer das hinbekommt. Aber wir sollten nie vergessen, der Computer ist immer nur so intelligent wie sein Entwickler/Programmierer!

Röhrenobjekte von David Link
Röhrenobjekte von David Link

In der Documenta Halle ist es inzwischen brechend voll. Nun geht das Anstehen los. Es erinnert mich ein wenig an Disney World, wo sich vor jeder Attraktion dieselben Kringelschlangen bilden. Auf der documenta sind die Wartezeiten nur nicht ganz so lang. Die Kunst ist vor lauter Menschen kaum zu sehen.

Nalini Melani mag ich besonders, das Video Schattenspiel ist eine erweiterte Kinderlampe nur größer und kunstvoller und natürlich mit einem anderen Thema, hier ist u.a. die Kassandra ein Element. Ein wenig dachte ich an den Film „Meerjungfrauen küssen besser“, der mir wegen Deni DeVitos Schattenlampe und Chers ausgestochenen Sandwiches in so guter Erinnerung ist. Ich mag es sehr, wenn durch Kunst meine Erinnerungen angeregt und ganze Erinnerungsketten erzeugt werden. Wunderschön (obwohl das Thema ernst) und eindrucksvoll ist diese Arbeit. Hier seht ihr auf youtube einen Video zu In Search of Vanished Blood, um eine bessere Vorstellung zu bekommen.

Nalini Melanis Schattenspiel
Nalini Melanis Schattenspiel

In der Neuen Galerie mischt sich klassisches mit neuem. Ich erfreue mich am einem Raum mit Arbeiten von Corinth genauso wie an dem schon jetzt durch die Berichte über die documenta sehr berühmten Werk „Leaves of Gras“ von Geoffrey Farmer. Die Kontraste gefallen mir und regen mich an.

Auf dem einen Foto seht ihr einen Gang mit den Skulpturen der Länder der Kunst von Carl Friedrich Echtermeier (1845 -1910), er liegt leer vor mir und die Schattenspiele erzeugt durch die lichtdurchfluteten Fenster sind klassisch aus der Architektur hervorgegangen. Dagegen dauert es 30 Minuten „Anstehzeit“ für den Gang mit dem Werk „Leaves of Gras“ von Farmer. Es ist erstaunlich welche plastische Wirkung die Aufschichtung der vielen ausgeschnittenen Fotos aus den Life Magazinen hervor ruft und wie aus den zweidimensionalen Bildern gebaute Dreidimensionalitäten werden.

Nach einer Pause geht es weiter zum Hauptbahnhof. Das Gelände selber ist schon eindrucksvoll; die Halle wirken selbst leer für sich alleine wie Kunst. Ich mag die Strukturen der Wände, das Weiß der Farben und der Backsteine. Die Leere zwischendurch erlaubt den Rezipient sich von den vielen Eindrücken zu erholen.

Zwei Aussteller und ihre Werke beeindrucken mich hier besonders: der Südafrikaner William Kendrige und die Italienerin Lala Favaretto.

Beim Anstehen nach Kendridge kann man in Ruhe die räumliche Auseinandersetzung von Haegue Yang betrachten
Beim Anstehen nach Kendridge kann man in Ruhe die räumliche Auseinandersetzung von Haegue Yang betrachten

Ich habe von Kentridges „The refusal of time“ kein einziges Foto, diese Arbeit konnte ich einfach nur wahrnehmen (hier ein youtube Link zum Automatic Writing von Kentridge). In Kentridge Raum sind 5 Projektoren mit Filmen, die riesig an die Wand geworfen werden und der Rezipient sitzt auf dem Boden (oder Stuhl) in der Mitte und versucht alles auf einmal zu betrachten. Alles stimmt, Ton, Bewegung und Mischung der Inhalte. Die 25 Minütige Projektion ist im Nu vorbei.

Von Favarettos Projekt hatte ich vorher auch schon einiges gehört und gelesen, es handelt sich, um es umgangssprachlich auszusprechen, um das Metallmaterial von den Recycling-Betrieben. Ich hatte das Projekt nicht einmal auf meiner Liste der Dinge, die ich unbedingt sehen wollte. Umso mehr erstaunte es mich wie eindringlich das Werke ist. Stundenlang kann ich darauf schauen, neues entdecken und Farben, Zement und Metall selektieren, Gedanken gleiten lassen. Die Künstlerin will allerdings ein „unbehagliches Gleichgewicht zwischen ihrer Zerstörung und ihrem Wiederaufbau“ halten.

Von 9:30 bis 20 Uhr Kunst mit zwei Stunden Pause, ich bin fix und fertig am Ende des Tages. Es wird eine 10 Stunden Besichtigungstour angeboten, die untersucht gleichzeitig die Wahrnehmung des Rezipienten mit steigender Betrachtungsstundenzahl. Mir war um 19 Uhr schon fast alles egal, obwohl das Filmprojekt von Clemens von Wedemeyer noch lockte aber mehr als ein kurzer Eindruck von den gleichzeitig gespielten drei Filmakten war einfach nicht mehr möglich.

For my english reader:
It was a day of senses and attractions and of thinking about the world. I reflect the day and I’am excided of the documenta. It isn’t a wonder that the photos can not show the real feeling to go through the attractions of documenta.

Der zweite Tag auf der documenta 13 – Bericht von Susanne Haun

6 comments

  1. Da hattest du ja ein beeindruckendes Wochenende, Susanne. Danke für die Fotos, denn gerade diseses Gedränge hält mich davon ab, die documenta zu besuchen:
    Ich schick dir sonnige Grüße
    Anna

    1. Vielleicht bin ich das Gedränge als Berlinerin schon gewohnt, Anna, es gibt hier kaum eine große Ausstellung, die nicht so voll ist.
      Ich finde immer wieder Nieschen, wo ich genauer schauen kann oder wo es gerade leer ist.
      Nur ein einziges Mal war ich richtig bedient, bei den Gesichtern der Renaissance im Berliner Bode Museum. Der Ausstellungsraum war dunkel mit Spotlampen auf die Werke, da war kein wollen, das Publikum behinderte sich gegenseitig und rannte sich um.
      Dir auch sonnige Grüße, Anna…..

  2. Ja ich finde es auch sehr schön, dass Du uns an Deinen Dokumenta Eindrücken teilhaben lässt. Danke dafür Susanne! W. Kendridge konnte ich in Bremen einmal bewundern und war auch absolut fasziniert, gerne hätte ich natürlich die Morandi Gefässe gesehen. Es wirkt alles sehr beeindruckend und interessant. lieben Gruss von Helen

    1. Danke, Helen, ja es ist wirklich ein Fest der Kunst. Auch wenn man der Kuratorin Carolyn Christov-Bakargiev vorwürft, sie hat keine Ordnung, kein Konzept in allem, so habe ich eine Linie gefunden. Meine Interessenlinie vielleicht und alle Künstler kann der Betrachter in drei Tagen eh‘ nicht wahrnehmen.
      Liebe Grüße von Susanne

Kommentar verfassen