Marielyst und Erdkünstler – Bericht und Zeichnungen von Susanne Haun

Das kleine gelbe Holzhaus, was ich euch vorgestern zeigte, steht in Marielyst, Dänemark.

Im Sommer beherbergt das knapp 700 Einwohner zählende Marielyst ca. 50.000 Touristen. Die wohl berühmtesten Gäste waren Kafka und sein Freund Weiss.

Seetank am Strand (c) Foto von Susanne Haun
Seetank am Strand (c) Foto von Susanne Haun

Jetzt im Herbst ist es sehr ruhig hier und so kann ich den neuen Spiegel, den ich im Kiosk kaufte, draußen auf einer Parkbank lesen. Der Weg zum Zeitungskiosk führt am Strand oder auf dem Deich entlang. Ebenfalls habe ich als Reiselektüre einige Kunstforum Hefte im Gepäck.

Das Seegras auf dem Hinweg am Strand sieht aus wie gezogene Tuschelinien auf Papier. Es macht mir Freude, immer wieder neue Konstellationen zu entdecken und zu fotografieren, durch das Anschneiden des Grases auf dem Foto, teile ich es auf und schaffe Kompositionen. Interessant ist die Frage, ob das, was ich draußen finde und fotografiere auch schon Kunst ist! Also nicht das Foto selber sondern das, was wir auf dem Foto sehen.

Seetank am Strand (c) Foto von Susanne Haun
Seetank am Strand (c) Foto von Susanne Haun

Ich habe im Kunstforum von 1985, Band 81 ein schönes Zitat von Dan Graham in einem Artikel über Gordon Matta-Clark gefunden:
Die Erdkünstler konnten auf die Galerie als Dokumentationsort für ihre Arbeiten keineswegs verzichten. Darüberhinaus liefen sie Gefahr, einfach ein Stück aus der Natur als „vorgefundenes Objekt“ auszustellen.“

Genau dieses ging mir beim Fotografieren des Seetanks durch den Kopf. Wenn ich mir die Fotos anschaue, wüsste ich allerdings auch nicht, warum ich sie nochmals in Tusche umsetzen sollte. Sie stehen gut für sich dar und brauchen keine erneute Umsetzung. Auf dem Papier kann ich meine eigene Seetanklinien und Kompositionen entwickeln.

Auch im neuen Spiegel wird über das Geheimnis Kunst nachgedacht. Der Nobelpreisträger und Neurologe Eric Kandel erklärt, dass Indizien dafür sprechen, dass dem rechten Frontalhirn eine zentrale Rolle im kreativen Prozeß zukommen, während die linke Hirnhälfte die Kreativität sogar aktiv hemmt.

Erkennen also nur die, die eine wenig ausgeprägte linke Hirnhälfte haben, in dem Seetank Kunst?

Es ist schön, einfach in Ruhe, ungehetzt Zeitungsartikel zu lesen. Ich sollte mir dafür auch mehr Zeit zuhause nehmen. Aber neben dem Tagesspiegel und den Kunstbüchern bleibt da nicht viel Zeit übrig, ich will ja realistisch bleiben.

Kreisdefelsen 17 x 22 cm Tusche auf Bütten (c) Zeichnung von Susanne Haun
Kreisdefelsen 17 x 22 cm Tusche auf Bütten (c) Zeichnung von Susanne Haun

Zu den einfachen Linien Zeichnungen von gestern habe ich heute nochmals eine Kreideküste mit mehr Linien gezeichnet – nach jedem Foto habe ich überlegt, aufzuhören und das Bild stehen zu lassen.

For my english reader:
In the summer Marielyst has about 50,000 tourists in town, but Marielyst has only the nearly 700 inhabitants. The most famous guests were Kafka and his friend Weiss. Now in the autumn it is very quiet here and so I can use the new Spiegel that I bought in the kiosk, read out on a park bench. The shop sells newspaper stands on the beach along the dike. Also I have some reading material as Art Forum magazines in luggage.

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Quellen: Kunstforum Band 81 von 4/1985,  www.marielyst.dk, Spiegel Nr. 40 1.10.2012

15 comments

  1. Hallo Susanne!
    Die sind Dir gut gelungen, die fotografischen Seegraslinien. Es lohnt sich sicherlich, die noch einmal zeichnerisch aufgreifen.
    Ich wünsche Dir noch eine schöne Zeit, gutes Wetter und „massig“ Inspirationen.
    LG Juergen

  2. Hej, Susanne, nach Marielyst haben wir im Sommer hektoliterweise das gute Krenkerup-Bier verkauft, weil da jede Menge Kopenhagener runter auf ihre „Südsee-Inseln“ kommen. Leider kriegt man im Herbst nichts mehr von von den langen, warmen Sommertagen mit, aber dafür ist auch der Rummel vom Marielyststrand verschwunden.
    P.S Wenn du Seetank schreibst, meinst du sicher Seetang; es ist aber Seegras, das da angeschwemmt wird.
    God dag, Reinhard

    1. Danke, Reinhard, ja, es sah shcon ein wenig komisch aus, mein Word Seetank … ich hatte so ein ungutes Gefühl, wußte es aber nicht zu packen!
      Danke für den Hinweis, den kann ich gut gebrauchen.
      Ja, es ist super ruhig jetzt hier aber bei 50.000 Touristen kann ich mir vorstellen, wie hier im Sommer das Leben tobt.
      Ich bin ja kein Biertrinker aber ich gebe den Tip weiter.
      God dag, Susanne

  3. Mir ist gerade eingefallen, dass man am Marielyststrand gut nach Bernstein suchen kann, weil er nach Osten ausgerichtet ist. Besonders nachdem das Meer aufgewühlt war und hohe Wellen an den Strand kamen. Weil Bernstein leichter ist als Wasser, wird es von den Wellen aus dem Meersboden gewaschen und an den Strand gespült. Und genau an der Seegraslinie am Strand wird auch das Bernstein angespült und abgelagert. Man nimmt also einen Stecken und wandert am Strand entlang und stochert und gräbt im angeschwemmten Seegras. Es sieht natürlich nicht so glänzend aus wie geschliffenes Bernstein, aber man kann es erkennen. Meist gibt es da aber auch Fllintsteinbrocken, die so ähnlich aussehen. Im Zweifel legst du deinen Fund in’s Wasser. Flintstein geht unter, Bernstein schwimmt. Auf dänisch heisst Bernstein rav, und wird rau ausgesprochen.
    Viel Glück, til lykke.

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