Kunst = Kunst – Teil 3 und eine weggeworfene Vergangenheit – Zeichnung von Susanne Haun

Heute gehe ich mit euch und der Kunst ins späte 19. und frühe 20. Jahrhundert.

Ich finde es sehr spannend, wie sich der Kunstbegriff über die Jahrzehnte ändert und ich werde versuchen, die Kunst, die ich mir anschaue, auch im Hinblick auf den zur Zeit der Herstellung gültigen Kunstbegriff anzuschauen.

In der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts suchten die Künstler nach einer Legitimation für ihre Arbeit. Sie standen unter dem Druck, etwas Besonderes, Revulutionäres schaffen zu müssen, dass dem hohen Anspruch, den die Gesellschaft an die Kunst hatte, genügen mußte. So taten sich viele Künstler aller Gattungen wie bildende Künstler, Dichter und Interlektuelle zusammen und verfaßten Manifeste, in denen sie ihre Vorstellung von Kunst darlegten, wie zum Beispiel die Futuristen oder die Brücke.

Ungeliebte Vergangenheit - Die Beobachterin - 25 x 25 cm (c) Collage von Susanne Haun
Ungeliebte Vergangenheit – Die Beobachterin – 25 x 25 cm (c) Collage von Susanne Haun

Es wurde begonnen, dem Kunstmarkt vorzuwerfen, durch eine Auratisierung Geld mit der Kunst verdienen zu wollen. Der Definition Kunstbegriff wurde vorgeworfen, für eine Entfremdung zwischen Kunst und Volk zu sorgen.

In Frankreich gründete sich die L’art pour l’art Bewegung, „die Kunst entsprechend als elitäre „Insel“ oder Paradies definiert, fern von sozialer Verantwortung, allein dem Schönen verpflichtet, was nicht selten Eskapismus-Vorwürfe provozierte.“²

Nun sind wir schon fast in unserer Zeit angekommen, aber noch nicht ganz … ich lasse uns wieder Zeit zum Denken.

Weggeworfene Vergangenheit (c) Foto von Susanne Haun
Weggeworfene Vergangenheit (c) Foto von Susanne Haun

Vor ein paar Tagen habe ich meine alten Zeitungen zum Papiermüll gebracht und sah gleich oben auf im Container zwei alte weggeworfene Fotoalben.  Mein Herz zog sich zusammen; eine weggeworfene Vergangenheit. Warum? Ist jemand gestorben und die Erben wollte sich mit den Fotos nicht belasten? Oder wollte jemand seine Jugend und seine Erinnerungen nicht mehr besitzen? War die Erinnerung an das, was einmal war, zu schmerzhaft? Eine sehr schöne Frau ist auf den Fotos abgebildet.

Habe ich das Recht, diese Fotos zu zeigen? Auch wenn sie entsorgt wurden? Es ist mir zu privat, die Fotos klar und deutlich zu zeigen. Was ist der Unterschied zu den alten Fotos, die ich auf dem Flohmarkt kaufe?

Ich nehme mir einen 25 x 25 cm Aquarellblock und beschliessen, alle Bätter dieses Blogs mit Collagen von den Fotoalben zu verarbeiten. Heute beginne ich mit dem ersten, der ungeliebten Vergangenheit, ich nenne es „die Beobachterin“.

Was darf ich zeigen (c) Foto von Susanne Haun
Was darf ich zeigen (c) Foto von Susanne Haun

For my English-speaking readers:
A few days ago I brought my old newspapers to the waste paper and saw at the top of the container two old discarded photo albums. My heart contracted, a discarded past, . Why? If someone died and the inherits did not want them? Or did someone don’t want to have his youth and his memories? Was the memory too painful? A very beautiful woman is pictured in the photos.
Have I the right to show these photos? Even if they were drop away? It’s too private to show the photos clearly. What is the difference to the old photos that I often bought at the flea market?
I take a lot of 25 x 25 cm watercolor papers and decide to process all sheets of them with collages of the photo albums. Today I begin with the first, the unloved past, I call it „the observer“.

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Pfisterer, Ulrich (HG), Metzlers Lexikon Kunstwissenschaft, Stuttgart 2003, 2011²

14 comments

  1. Ein Fotoalbum in den Müll zu werfen ist wirklich eine klare Aussage, ein Abschied, ein Aussortieren, vielleicht emotional oder auch nicht … Es hat etwas Berührendes zu sehen, wie du an die Sache rangehst und die weggeworfene Vergangenheit weiter künstlerisch verarbeiten willst. Man kann wirklich immer wieder ganz unerwartet von Dingen inspiriert werden. Ich bin gespannt, wie sich das Projekt weiter entwickelt.

    1. Danke, Annette, ich freue mich auch auf die Arbeit mit den Fotos. Es läßt mich die Bilder noch einmal anders betrachten. Im Moment arbeite ich an ein Foto aus dem Automaten, s/w, nicht auseinandergeschnitten. Ein Relikt aus einer anderen Zeit, wo das digitale Foto noch in weiter Ferne war.

  2. Das ist ja wirklich sehr traurig, liebe Susanne. Ist da jemand gestorben, der keine Nachkommen mehr hatte, der die Erinnerungen der Verwandten hätte aufbewahren können? Alte Fotos können so viele Geschichten erzählen, du hast es ja auch in meinem Post vom Kurbad gesehen. Da finde ich es gut, dass du die Bilder gerettet hast und etwas damit machst. So bleiben die Fotos doch noch künstlerisch erhalten.

    LG buechermaniac

    1. Ja, an deine Fotos vom Kurbad erinnere ich mich gut. Ich fand deinen Bericht sehr beeindruckend.
      In Zeiten der Digitalfotografie finde ich es ja fast normal, dass wir nicht alle Fotos aufbewahren aber diese alten s/w Fotos sind doch Raritäten!

      Im Moment sammele ich Zeitungsartikel mit Buchbesprechungen und über Autoren für dich. Es sind weniger gute, als ich dachte! Als ich die Rezensionen noch nicht sammelte, dachte ich jeden Tag steht etwas Gutes über Bücher in der Zeitung. Aber da habe ich mich geirrt.

      Einen schönen Tag wünscht dir Susanne

      1. Das ist ja interessant – jetzt machst du mich sehr neugierig. Natürlich kann gar nicht jeden Tag etwas Gutes über Bücher in den Zeitungen stehen. Etliche Neuerscheinungen werden ja auch verrissen. Bei unseren Rezensionsen versuchen wir doch in erster Linie unseren Lesegeschmack zu bedienen und überlassen die Verrisse den profesionellen Literaturkritikern 😉

        Ebenfalls einen schönen Tag wünscht dir
        buechermanaic

        1. ja, das wäre etwas viel verlangt. Ich habe einen Sortierkasten mit Zeitungsausschnitten angelegt. Da sind aber auch „meine Kunst-Ausschnitte“ enthalten.
          Da wandert alles hinein, was mich interessiert.
          Mit dem Verreißen hast du unbedingt recht!
          Grüße von Susanne

  3. Ja, Kunst im weitesten Sinne heisst eben auch Idealismus und Ideen verwirklichen. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bieten unerschöpfliche Möglichkeiten. Aber man muss sie sehen. Du siehst sie.
    Danke.

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