Frauen am Frankfurter Tor – Bericht von Susanne Haun

Letzte Woche las ich bei Frau Blau im Cafeweltenall den Beitrag Frauenschicksale mit einem Hoch auf unsere Großmütter!

Gleichzeitig flatterte mir eine Einladung der Berliner „Galerie im Turm“ ins Haus mit dem schönen Titel: „Frauen, Die Sammlung Hansen“.

Beeindruckende Ausstellung (c) Foto von Susanne Haun
Beeindruckende Ausstellung (c) Foto von Susanne Haun

„Die Sammlung Hansen besteht aus ca. 35.000 Privatfotografien aus sieben Jahrzehnten. Auf den Bildern sind ausschließlich Frauen zu sehen. Sie entstammen Fotoalben, deren eigentliche Geschichten unbekannt sind. Und doch kennt man sie; sie sind überall, weil sie Teil unseres Lebens sind.“ Verlag der Buchhandlung Walther König.

Gerne hätte ich auch das Buch „Frauen“ gekauft, aber mein Ankaufetat für Bücher für Januar habe ich schon wieder locker überschritten.

Es findet eine Buchpräsentation und Sammlergespräch mit Christian Hansen und Bazon Brock am Dienstag, den 22. Januar 2013 um 19 Uhr statt. Zu dieser Veranstaltung möchte ich gerne gehen.

Eingang der Galerie (c) Foto von Susanne Haun
Eingang der Galerie (c) Foto von Susanne Haun

Für Frau Blau suchte ich Fotos meiner Großmütter heraus.

Ich mag dabei das Vier-Generationenfoto: Ich als ca. 2 jährige, hinter mir meine Oma mit Mitte 50, daneben meine Mutter um die 30 Jahre alt, schwanger mit meinem Bruder und meine Urgroßmutter, ca. 90 Jahre alt. Das Foto wurde in meiner Omas Wohnung in Berlin Wedding aufgenommen.

Vier Generation - Aus dem Fotoalbum von Susanne Haun
Vier Generation – Aus dem Fotoalbum von Susanne Haun

Leider habe ich von meines Vaters Familie nicht so ein schönes Foto. Die Mutter meines Vaters und seine Schwester sind im 2. Weltkrieg bei Halbe gefallen. Deshalb halte ich dieses Foto, was meine Großmutter mit meinem Großvater mit beiden Kindern zeigt, sehr in Ehre. Mein Vater sitzt vorne im Kinderwagen und meine Tante zwischen ihren Eltern. Es entstand im Urlaub im Spreewald aus glücklichen Zeiten.

Eine glückliche Familie - Aus dem Fotoalbum von Susanne Haun
Eine glückliche Familie – Aus dem Fotoalbum von Susanne Haun

Die Schicksale beider Familien würden Bücher füllen. Ich möchte wenigstens einige Zitate, die ich nie vergessen werde, niederschreiben.

„Ganz Charlottenburg brannte, es war taghell obwohl es Nacht war. Wir hofften im Keller des Gerichts Schutz zu finden.“

„Wenn die Russen kamen, stellten wir Kinder uns um Mutter, um sie zu schützen. Meine älteste Schwester, deine Tante Friedel, versteckte sich auf dem Dachboden.“

„Mein Mann war dem Staat nicht genehm, ich sollte mich scheiden lassen, er wurde an die Front geschickt und kam nie wieder.“ – Meine Oma trug bis zu ihrem Tod mit 90 Jahren den Namen ihres Mannes!

„Es war so dunkel in Halbe, ich verlor Mutter und Schwester in der Dunkelheit. Ich bin den weiten Weg in den Spreewald zu meiner Großmutter gelaufen. Dort sprach ich tagelang nicht.“

„Mein Vater wurde ohne Uniform erwischt. Er hasste die Uniform und zog sie aus, wann immer er es konnte.“

Der andere Turm (c) Foto von Susanne Haun
Der andere Turm (c) Foto von Susanne Haun

Ich weiß nicht, wie ich damit umgegangen wäre, wenn meine Familie dem Nazi-Regime angehangen hätte. Ich weiß auf jeden Fall, dass es mich ein Leben lang belastet hätte. Selbst mein Sohn hätte damit noch ein Problem gehabt. Er war genauso erleichtert wie ich.
Ich bin froh und stolz, dass sich meine Familie in ihrem Rahmen aufgelehnt hat.

For my English-speaking readers:
Last week I read in Woman in Blues Blog Cafeweltenall the report about women’s lives with a high on our grandmothers!
At the same time I get an invitation for an exibition of the Berlin „Galerie im Turm“ with the wonderful title: „Women, The Hansen Collection.“
I was looking out photos of my grandmothers for Mrs. Blue.
I like the showed four-generation photo: me as about 2 years behind me with my grandma mid 50 beside it, my mother around 30 years old, pregnant with my brother and my great-grandmother, about 90 years old. The photo was taken at my grandma’s apartment in Berlin Wedding.
Unfortunately, I have my father’s family is not such a nice photo. My father’s mother and sister were killed in Halbe, near Berlin in the 2nd. World War. I therefore think this photo, which shows my grandmother with my grandfather with their two children, in very honor. My father sits in front in the stroller and my aunt between her parents. There was a holiday in the Spreewald of happy times.

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Feldmann, Hans-Peter. Hersg. Hansen, Christian. Frauen. Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 2012

30 comments

    1. Guten Morgen, hereshecomes, ich finde auch, dass alte Fotos eine ganz besondere Ausstrahlung haben. Jedes Foto erzählt viele Geschichten.
      Einen schönen Sonntag wünscht Susanne

  1. Das ist wirklich eine lesenswerte Geschichte, die mich begeistert. Schön, dass die Idee von Frau Blau diesen Anklang gefunden hat. Ich besuchte eine ähnliche Ausstellung in Fredrikstad, fand es faszinierend in den Gesichtern mit all den Gesichten zu blicken. Danke, dass du deine teilst.
    Viel vergnügen bei den Vampiren! 🙂
    Liebe Grüße
    Hanne

    1. Guten Morgen, liebe Hanne,
      das war ein mächtiges Bühnenspektakel um die Vampire. Ich habe die Karte zu Weihnachten bekommen und bin noch ganz benommen von den vielen Bildern.
      Ich habe eine ganze Kiste mit alten Fotos, denn ich kann oft nicht wiederstehen, wenn ich beim Trödler oder auf dem Flohmarkt oder im Müll interessante Fotos sehe, die Geschichten erzählen.
      Aber am Wertvollsten sind mir die Familienfotos.
      Liebe Grüße an die Küste mit der Hoffnung, dass ihr es wieder wärmer habt, sendet dir Susanne

  2. Ich finde die Geschichte, die Du von deiner Familie erzählst und mit alten Bildern liebevoll schmückst, wunderbar. Speziell empfinde ich die Bilder eurer 4 Generationen und der Urlaub im Spreewald.

    Ich besitze auch noch alte Bilder von meiner Familie, z.T. aus dem 18.00 Jahrhundert. Durch deinen Bericht angeregt muss ich mich mit meiner älteren Schwester zusammen noch schlau machen, wer alles die Leute sind, damit ich meinen Kindern und ihren Familien die Informationen weitergeben kann. Etwas ist schon gemacht, aber nicht alles. Danke für deinen schönen Bericht.
    Viele Grüsse nach Berlin. Ernst

    1. Ja, Ernst, es muss immer jemanden geben, der das Wissen um die Ahnen auf den Fotos weitergibt.
      Ich habe für meinen Sohn einen Stammbaum mit Fotos gemacht, bis 1757 bin ich bei seinem Vater zurück gekommen, bei meiner Familie bis 1850. Ich finde es sehr interessant, welche Berufe die Ahnen ausgeübt haben. Bei meinen Mutters Ahnen war ein Elfenbeinschnitzer dabei. Leider gibt es nur ein Dokument aber kein Foto von ihm.
      Einen schönen Sonntag und viele Grüße wünscht dir Susanne

    1. Ja, ich freue mich auch schon sehr auf das öffentliche Sammlergespräch, was dort stattfindet. Bestimmt ist es interessant, die Geschichten der einzelnen Fotos in Bezug auf die Sammlung zu hören.
      Einen schönen Sonntag sendet dir Susanne

    1. Fine, Clanmother. Do you have a lot of photos from you grandmother? Did she lived in Canada? You are welcome, clanmother! I think it is late on your home and so I wish you a good night, greetings from Susanne

  3. liebe Susanne,

    herzlichen Dank fürs verlinken, aber ganz besonders für diesen feinen Artikel … die Fotos sind wirklich wunderbar und dein Text auch- gerne würde ich die Ausstellung sehen, aber … aber … noch kann ich mir Berlin nicht leisten oder sage ich lieber, gerade eben nicht … vielleicht Anfang Februar … schauen wir wie das Wetter und das Auto und überhaupt …
    was du zu deiner Erleichterung darüber schreibst, dass deine Eltern nicht Hitlergetreue waren, kann ich nur allzu gut verstehen. Meine Familie hatte auch sehr unter ihnen zu leiden, rannten von hier nach da, die Familie mütterlicherseits waren polnische Auswanderer und die Großmutter väterlicherseits ebenfalls … und wenn ich so nachspüre würde die Geschichten nun auch diesen Rahmen sprengen-

    herzliche Grüße, hoffentlich konntest du den heutigen Abend mit den Vampiren genießen 😉
    herzliche Grüße
    Ulli

    1. Liebe Ulli,

      wenn du Anfang Februar nach Berlin möchtest,
      ist ja gar nicht mehr lange hin. Bis zum 17. Februar ist die Ausstellung in der Galerie im Turm noch zu sehen.
      Es gibt soviele Familienschicksale!

      Der Vampir – Abend war sehr schön, ich werde gleich ins Atelier gehen und die Eindrücke verarbeiten…

      Viele Grüße sendet dir Susanne

    1. Ja, Roswitha, solche Sätze hört man einmal und vergißt sie nicht. Jetzt wo sie in meinem Blog stehen, sind sie auch konserviert.
      Ich hoffe auch, dass solche Zeit nicht wiederkommt aber habe schon öfter mal Angst zwischendurch, gerade wenn ich in der Tagesschau die deutsche Truppenbewegung in die Türkei sehe.

  4. Wirklich einige schöne fotos – und sehr interessanten text… 🙂

    Thanks for sharing with us,
    I love that kind of photos and the stories behind them – they are a part of our history… 🙂

  5. …kunst und krieg, ein wirklich sehr interessantes Thema….

    …also ich fände es wunderbar, wenn du mit all diesen kleinen Geschichten und Zitaten ein Buch füllen würdest, ich gehöre zu einer Generation, deren Wissen über diese Zeit immer mehr schwindet…in vielen Familien wurde nie darüber geredet, aus den verschiedensten Gründen…

    ….all dieses Wissen, diese Anekdoten und Erlebnisse, mögen sie noch so nebensächlich erscheinen, dürfen nicht in Vergessenheit geraten…
    …Geschichtsbücher werden in Zukunft nicht reichen, um junge Menschen auf dieses Thema hinzuweisen, es sind vor allem die persönlichen Geschichten, die unbedingt weiter getragen werden müssen….

    vegan l♥ve&peace, miss viwi

  6. Hallo Susanne,
    herzlichen Glückwunsch zu dieser tollen „Bild“arbeit. Die Zitate könntest du auch gut unter die Fotografien mischen, das würde das ganze noch spannender machen. So könnte sich der Betrachter überlegen, zu welchem Bild bzw. Personen das Zitat gehören könnte.
    Auch ich habe nur wenige Fotos von meinen Eltern und Großeltern. Manche sind schon total vergilbt oder verblasst. Trotzdem hüte ich sie wie einen kostbaren Schatz in einer speziellen Schatulle. Ich habe auch schon versucht einen Stammbaum zu erstellen, habe aber immer wieder unterbrochen wegen fehlender Daten.
    Letztes Jahr hatte ich ein für mich sehr bewegendes Erlebnis.Ich besuchte das Grab meines Vaters, der bereits mit 45 Jahren verstorben ist, im Bayrischen Wald. Der Gang durch den Friedhof ließ mich so manchen Verwandeten entdecken, wenn auch teilweise nur als Grabinschrift auf den Steinen, bei z.B. im Krieg vermissten Personen. Von meiner Großmutter väterlicherseits wusste ich bislang nur, dass sie bereits mit 43 Jahren verstorben ist. Mein Vater war damals 9 Jahre alt und erzählte mir einmal unter Tränen, dass er sich an diesen Tag in das Bett seiner Mutter gekuschelt hatte. Es war an einem Osterfeiertag. An diesem Tag hat meinen Vater bis zu seinem Lebensende die Trauer übermannt.
    Als ich an dem Friedhofsbrunnen Wasser holen wollte, traute ich meinen Augen nicht. Schräg gegenüber dem Grab meines Vaters, befand sich ein Grab mit einem neuen Grabstein. Darin eingraviert waren die Namen der Großeltern meines Vaters mütterlicherseits und der Name meiner Großmutter, von der ich meinen zweiten Vornamen habe, als Wertschätzung. Mit der Vorstellung, dass der Blick des Grabsteines genau auf den meines Vaters gerichtet war, habe ich in dem Moment innerlichen Frieden gespürt aber auch gleichzeitig den Schmerz, den mein Vater wahrscheinlich all die Jahre mit sich getragen hat. Sie muss ein wundervoller, liebevoller Mensch gewesen sein und ich bin stolz darauf, dass ich ihr etwas ähnlich sehe.
    Viele liebe Grüße sendet dir Gaby.

    1. Liebe Gaby,
      danke für dein Lob zu meinem Beitrag, es freut mich, dass es dir gefallen hat.
      Eine bewegende Geschichte, die du uns hier erzählt hast. Da hast du sicher ein wenig gebraucht, um das alles zu verarbeiten.
      Es ist auch sehr schön, dass du eine Verbundenenheit zu deiner Großmutter fühlst.
      Einen schönen Abend wünscht dir Susanne

  7. Ein rundum interessanter, spannender, inspirierender und sehr berührender Beitrag. Ich danke dir. Hätte ich sonst auch von der Ausstellung nicht erfahren. Begeistere ich mich selbst für alte Fotos und Geschichten, autobiografisches im künstlerischen Zusammenhang. Leider kann ich an diesem Abend nicht kommen. Schade, Schade. Aber die Ausstellung schaue ich mir auf alle fälle an. Das Tor ist für mit mit vielen erinnerungen verbunden. Habe ich dort in der Nähe mal eine Zeit lang gewohnt und gearbeitet und ganz früher mal, war auch ein Bild von mir in einer Ausstellung dort. Das muss ich mal heraussuchen… Liebe grüße, doreen

    1. Danke, Doreen, ich berichte vom Abend. Ich bin selber schon gespannt und habe mir den Termin in den Kalender eingetragen.
      Bin bespannt auf das Foto, was du heraussuchst. Ich mag die Galerie. Der Riesenturm und dann der eine Raum.
      Erinnerungen sind etwas schönes – sie inspirieren immer zu neuen Taten.
      Einen schönen Abend wünscht dir Susanne

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