Die Einsamkeit des Künstlers – Bericht von Susanne Haun

Vorgestern war ich bei der Ausstellungseröffnung „Double Vision“ im Berliner Kupferstichkabinett im Kulturforum. 

Es werden graphische Arbeiten von Albrecht Dürer (1471-1528) und William Kentridge (geb. 1955 in Johannesburg) präsentiert.

Es ist eine sehr beeindruckende Ausstellung, die ich jedem nur empfehlen kann. Ich werde die nächsten Freitage in der Ausstellung verbringen, eine der beiden Kuratorinnen, Elke Anna Werner, ist Dozentin an der FU und „scheinlos glücklich“ werde ich mein drittes Seminar, dieses mal zum Thema Ausstellungsdisplay, bei ihr absolvieren. Die lezten beiden Seminare handelten von den Arbeiten Kentridge (2013) und von den Meisterstichen Dürers (2013/14) (siehe hier mein Bericht).

 

Ich freue mich über den Katalog (c) Foto von M.Fanke
Ich freue mich über den Katalog (c) Foto von M.Fanke

Ich war das erste mal bei einer musealen Ausstellungseröffnung. Inklusive des Künstlers kamen sechs Redner zu Wort. Besonders die Reden der beiden Kuratorinnen, Elke Anna Werner und Andreas Schalhorn sowie die abschliessenden Worte des Künstlers gefielen mir. Frau Werner redete bis auf wenige Sätze deutsch und Herr Schalhorn englisch, so war sowohl das Publikum als auch William Kentride einbezogen. Frau Werner überreichte Kentridge eine Tafel Schokolade, zu der ich später zurückkomme.

Kentridge selber ist ein sehr guter, charismatischer Redner. Sein Deutsch sei schlecht, sagte der Künstler,  aber trotzdem zitierte er rednerisch brilliant Worte in Deutsch. Ich muß Frau Werner noch fragen, was genau er zitierte. Ich bewunderte Kentridge, dass er nach den vielen Reden, von denen er die meisten Worte nicht verstand, noch soviel Elan auf die Bühne brachte.

Es fiel mir auf, wie einsam Kentridge durch die Ausstellung lief, er schien sich an der Tafel Schokolade festzuhalten. Gut, dass er sie hatte! Die vielen Leute unterhielten sich über sein Werk und schauten sich mit großen Augen um, aber mit ihm selber sprach kaum einer. Cris,  mit der ich zur gleichen Zeit das Studium begann und ich kauften uns den Katalog der Ausstellung, suchten Kentridge und ließen uns die Kataloge signieren. Ich fragte ihn mit meinem vor Aufregung noch schlechteren Englisch, ob er wirklich alle seine Radierungen selber drucke, also selbst die wirklich großen Platten, die mit Farbe einzuschmieren und auszuwischen eine große Anstrengung bedeuten! Er antwortete, dass er das tue – aber nicht alle! (Yes, I do, but not all!)

Ich freue mich über den signierten Katalog (c) Foto von M.Fanke
Ich freue mich über den signierten Katalog (c) Foto von M.Fanke

Cris fragte ihn, ob er sich alleine fühle, weil er doch so alleine durch die Gemäldegalerie strich. Aber er antwortete, dass das gut so sei. Er sah müde aus und als ich ihm einen schönen Feierabend wünschte, erfuhren wir, dass ihn noch ein weiteres Programm am Abend erwartete.

Nein – ich habe keine Fotos gemacht. Nicht mit der Kamera und auch nicht mit dem Handy. Ich habe beides in einem der Schließfächer des Museums eingeschlossen und mit meinen Augen beobachtet und nun schreibe ich die Beobachtungen nieder.

Ob ich mit Kamera die selben Beobachtungen gemacht hätte, wie ohne? Ist unser Auge nicht ohne Technik geschärfter?

Eine sehr gute Dokumentation der Ausstellung liefert der Blog „Double Vision Berlin“ (siehe hier) oder die Informationsseite der FU Berlin „Evidenz ausstellen“ (siehe hier).
Auf der Seite des Deutschlandradios Kultur erhält der Interessierte weitere Informationen im Artikel:
„“Double Vision“ im Berliner KupferstichkabinettUnterhaltung mit den Bildern im Kopf“ von Jochen Stöckmann (siehe hier)

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Double Vision: Albrecht Dürer & William Kentridge

20. November 2015 bis 6. März 2016
Öffnungszeiten

Di. – Fr.: 10:00 – 18:00 Uhr
Do.: 10:00 – 20:00 Uhr
Sa. – So.: 11:00 – 18:00 Uhr

Kupferstichkabinett
Kulturforum
Matthäikirchplatz, 10785 Berlin

Eintritt Ausstellung: 8 € / 4 €
Bereichskarte Kulturforum: 16 € / 8 €

U-Bahn U2 (Potsdamer Platz)
S-Bahn S1, S2, S25 (Potsdamer Platz)
Bus M29 (Potsdamer Brücke); M41 (Potsdamer Platz Bhf / Voßstraße)
M48, M85 (Kulturforum); 200 (Philharmonie)

16 comments

  1. Interessante Kombination, Kentridge und Dürer. Von Kentridge hatte ich vor fünf Jahren zufällig eine schöne kleine Ausstellung im Guggenheim Museum gesehen und war ganz begeistert. Ich kannte ihn davor nicht. Vielen Dank für deinen Bericht, liebe Susanne! Schön, dass Kentridge offenbar nicht nur ein großartiger Künstler, sondern auch so ein netter Mensch ist und eure Kataloge signiert hat. Liebe Grüße
    Petra

    1. Ich finde die Kombination auch sehr interessant, Petra. Ich freue mich auch schon sehr, die nächsten Freitage mit dem Seminar in der Ausstellung zu verbringen. Ich bin gespannt, wie die Diskussionen verlaufen werden.
      Liebe Grüße und einen schönen Sonntag von Susanne

  2. Kannst du nicht doch noch das eine oder andere Foto von Kentridges Kupferstichen machen und reinstellen? Leider wohnt nicht jeder in Berlin 🙁

      1. Ja, das kann man sicher, Petra.
        Ich frage vorher, ob ich Fotos von der Ausstellungseröffnung bloggen kann. Im me collectors room bekomme ich Einladungen für Presseführungen. Mein Blog wird sehr viel gelesen und ich denke, daher rühren die Einladungen her. Diese Fotos, die ich dann mache, kann ich auch bloggen. Manche Institutionen, wie die Kunstsammlung der Deutschen Bank, haben Presseseiten, von denen man Fotos herunterladen kannst.
        In der Sammlung Würth ist es verboten, überhaupt zu fotografieren.
        Selbst bei meinem Salon frage ich alle Anwesenden, ob ich die Fotos bloggen kann.
        Es ist nicht einfach …. ich sehe meinen Blog auch als „privat“ an, denn hauptsächlich geht es um meine Arbeit. Aber das ist strittig, denn ich habe mit dem Blog eine große Öffentlichkeit.
        Du merkst also, auch ich bin mir nicht immer sicher. Öfter bekomme ich auch Mails, die um Änderung der Bezeichnung der Fotos bitten oder auch darum bitten, das eine oder andere Foto zu löschen. Ich habe schon alles erlebt.

          1. Ich denke auch, Petra. Ich entscheide oft intuitiv, was ich zeigen und was ich nicht zeigen kann. Und da es zu der Dürer / Kentridge Ausstellung einen eigenen Blog „doublevision“ gibt, kann der Interessierte dort viel Bildmaterial betrachten.
            Einen schönen Wochenbeginn von Susanne

    1. Leider ist das urheberrechtlich nicht möglich. Aber wenn du den Links folgst, dich ich im Beitrag angegeben habe, dann findest du viel zu Kentridge.
      Am besten kannst du die Werke Kentridges auf dem Ausstellungsblog http://doublevision-berlin.de/ sehen. Wenn du mit der Maus über die Karos fährst, geht wird die rechte Ecke rot und du kannst klicken und wirst dann zu den Kupferstichen und Berichten gelangen.
      Besonders gut sind auch die Filme aus den Zeichnungen von Kentridge. https://www.youtube.com/watch?v=VaTnchoukdY
      Bei der letzten documenta 13 hat Kentridge einen Raum bespielt https://www.youtube.com/watch?v=VaTnchoukdY auf youtube findest du dazu eine schlechten Film.
      Ich hoffe, du findest unter den Links viele Inpirationen!

  3. Liebe Susanne!
    Gestutzt habe ich bei „double Vision“, weil ich an „double bind“ denken musste.

    Das war sicher ein besondere Begegnung, denn wann begegnet man schon mal persönlich einem der wirklich größten zeitgenössischen Künstler von Format. Ich beneide Dich ein wenig.
    Und dann habe ich mir intensiv über Deine Verlinkungen das gesamte Bildmaterial und die Texte „reingegriffen“ – toll! Vielen Dank für diesen wertvollen Impuls.
    Liebe Grüße Juergen

    1. Lieber Jürgen,
      das ging mir genauso.
      Ich bin noch am Verarbeiten der vielen Eindrücke der Woche und habe sowohl von Freitag zu Samstag als auch von gestern zu heute um die 11 Stunden geschlafen, um mich zu erholen.
      Liebe Grüße sendet dir Susanne

  4. Liebe Susanne, als ich in Johannesburg war, haben wir über diesen wichtigen Künstler gesprochen, der sich sehr gegen die Ausbeutung de schwarzen Menschen eingesetzt hat. Ich danke dir für dein wunderbare und ergreifende Präsentation. Hab einen erholsamen Sonntag. Cari saluti Martina

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