Transit – Zeichnungen von Susanne Haun

Das Buch Transit von Anna Segher ist zur Zeit wieder in aller Munde. Es stand auf meiner Weihnachtswunschliste und viele Passagen aus diesem Buch provozieren eine Gänsehaut auf meinen Armen.

Ich denke in die Vergangenheit, in die Gegenwart und ich frage mich, wie sieht die Zukunft aus?

Da ist mein Vater, der als 7jähriger 1943 auf der Flucht war, seine Mutter und seine Schwester verlor und nur mit Hilfe freundlicher Fremden zu seiner Oma, die in den Spreewald evakuiert war, fand.

Ich denke an meine andere Oma, die 1944 mit ihrer Mutter und ihrem kleine Sohn auf der Flucht war und eine Bibel im Straßengraben fand, die sie aufhob und die sie ihr gesamtes weiteres Leben lang begleitete.

Am Sonntag las ich im Tagesspiegel den Artikel „Die wahren Europäer“ (siehe hier), der einen Blick auf Anna Seghers Roman Transit wirft.

Die Autorin Amanda Michalopoulou weisst darauf hin, dass die Europäer vor noch nicht einmal 100 Jahren selber auf der Flucht war. Die Kinder dieser Europäer kommen heute „auf Gipfeltreffen zusammen und schmieden Pläne, wie sie die aktuellen Flüchtlinge in Schach halten können. Mit geschickten sprachlichen Windungen („Ströme“, „Rückführungen“, „Hot Spots“) bringen die europäischen Politiker die Körperhaftigkeit der Flüchtlinge zum Verschwinden – Füße, die sie bis zu den Grenzen getragen haben, Hände, die ein Kind festhalten, damit es nicht in der Menge verloren geht. Sie behandeln sie als abstrakte Einheit, als Strom – als wäre ein Rohr geplatzt und das Wasser käme in einem Schwall herausgeschossen.„²

Wessen Oma, Schwester, Mutter wird hier anonymisiert, des Körpers beraubt? In den Nachrichten wird das gesamte Elend der Menschen auf der Flucht gezeigt, manchmal erfahren wir in Berichten den Anlaß der zur Flucht führte, neben dem andauernden Bombenhagel gibt es Vergewaltigungen, Kindesmishandlungen, Hunger und die Heimatlosigkeit verbunden mit der Grausamkeit. Die heutigen Zeichnungen entstanden beim Anschauen der Nachrichten.

 

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²Michalopoulou, Amanda. Die wahren Europäer, in: Tagesspiegel, Sonntag, 13. März 2016 / Nr. 22698
http://www.tagesspiegel.de/kultur/fluechtlinge-in-griechenland-die-wahren-europaeer/13312262.html, 15.3.2016 / 15:00 Uhr
 

13 comments

  1. Liebe Susanne, danke für deine Worte, den Link und diese Zeichnungen, die in ihrer Zurückgenommenheit so gut passen … ich hab den Roman auch vor einiger Zeit wiedergelesen und bei mir besprochen und ja: Beim Lesen dachte ich mir häufig, wie kurz das Gedächtnis der Menschheit ist, dass man sich nicht an das Flüchtlingselend während des Nationalsozialismus erinnert und heute mit Menschen in dieser schrecklichen Situation wieder so umgeht … das ist traurig! https://saetzeundschaetze.com/2015/11/08/anna-seghers-transit-1944/

    1. Liebe Birgit, danke für deinen Link! Du hast eindrucksvolle Zitate aus dem Buch bennannt.
      Ich habe mir vorgenommen, einige der Zitate aus dem Buch zeichnerisch darzustellen. Dazu habe ich mir auch Sätze aus dem Buch markiert. Aber ich denke, ich werde auch von dir das Zitat um des Werts eines Pass‘ versuchen zeichnerisch darzustellen.
      Es kann noch ein wenig Zeit dauern, aber die Bilder sind schon in meinem Kopf.
      LG von Susanne

    2. Liebe Birgit, danke für deinen Link! Du hast eindrucksvolle Zitate aus dem Buch bennannt.
      Ich habe mir vorgenommen, einige der Zitate aus dem Buch zeichnerisch darzustellen. Dazu habe ich mir auch Sätze aus dem Buch markiert. Aber ich denke, ich werde auch von dir das Zitat um des Werts eines Pass‘ versuchen zeichnerisch darzustellen.
      Es kann noch ein wenig Zeit dauern, aber die Bilder sind schon in meinem Kopf.
      LG von Susanne

    3. Liebe Birgit, danke für deinen Link! Du hast eindrucksvolle Zitate aus dem Buch bennannt.
      Ich habe mir vorgenommen, einige der Zitate aus dem Buch zeichnerisch darzustellen. Dazu habe ich mir auch Sätze aus dem Buch markiert. Aber ich denke, ich werde auch von dir das Zitat um des Werts eines Pass‘ versuchen zeichnerisch darzustellen.
      Es kann noch ein wenig Zeit dauern, aber die Bilder sind schon in meinem Kopf.
      LG von Susanne

    4. Liebe Birgit, genau das entsetzt mich so. Aber vielleicht hätten die heutigen Flüchtlingsablehner den Juden damals auch nicht geholfen.
      Ich lese jetzt deine Transit-Rezension noch einmal und dann muss ich mir das Buch endlich bestellen, es steht schon so lange auf meiner Liste.
      Liebe Grüße, Madame Filigran

      1. Ich denke, das ist eine Geisteshaltung, die leider nicht ausstirbt … man muss sich ja nur die Ahnentafel einiger Afd-Menschen (Beatrix von Storch beispielsweise) ansehen.
        Wenn Du „Transit“ liest, dann empfehle ich Dir auch „Die Nacht von Lissabon“ von Erich Maria Remarque, auch sehr traurig …
        LG Birgit

        1. Danke für deine Empfehlungen, Birgit. Ja, ich denke auch, dass es eine Geisteshaltung ist. Zu den menschliche Eigenschaften gehören leider auch Grausamkeit, Selbstnutz, Neid usw…

  2. Das Thema war in meiner Familie gelebt… Mir geht’s anders, ich bin froh, einmal zwischendurch etwas anderes zu sehen, zu erleben. Ich schalte bewusst um! Ja, auch das gibt es.

    Zum Beispiel „Grüße aus Fukushima“ von Doris Dörrie, fand ich gelungen. Die Schauspielerin Rosalie Thomass stellte sich zudem den vielen Fragen des Publikums.

    Ein herzlicher Sonnengruß… vonHeidrun

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