Kind und Beruf – speziell Kunst – Susanne Haun

 

Das Interview mit Marina Abromovic vom 24. Juli 2016 im Tagesspiegel (siehe hier) hat viel Aufmerksamkeit erregt, es fand einige Erwähnungen in den Sozialen Medien.

 

Übermalen der letzten Arbeiten im Mai (c) Foto von Susanne Haun
Übermalen der letzten Arbeiten im Mai (c) Foto von Susanne Haun

 

Susanne Kippenberger  fragte Marina Abromovic unter anderem:
„Wollten Sie nie Kinder haben?
Nein. Nie. Ich habe drei Mal abgetrieben, weil ich überzeugt war, dass es ein Desaster für meine Arbeit wäre. Man hat nur so und so viel Energie in seinem Körper, und die hätte ich teilen müssen. Das ist meiner Ansicht nach der Grund, warum Frauen in der Kunstwelt nicht so erfolgreich sind wie Männer. Es gibt jede Menge talentierter Frauen. Warum übernehmen die Männer die wichtigen Positionen? Ganz einfach: Liebe, Familie, Kinder – all das will eine Frau nicht opfern.“²

Die Entscheidung für oder gegen Kinder müssen Paare meistens treffen, wenn ihnen die Dimension der Entscheidung noch nicht klar ist. Um Kinder mit Liebe und auch der nötigen Erziehung aufzuziehen, wird von Seiten der Eltern viel Zeit und Geduld benötigt. Es ist klar, dass diese Zeit, die in die Kinder fliesst, für andere Dinge wie z.B. den Beruf, nicht mehr zur Verfüng stehen. In der Welt vom 28.7.2016 können wir lesen, doss jeder fünfte seine Entscheidung für ein Kind bereut (siehe hier).

Mit Kindern ist es zum Beispiel für Künstlerinnen und Künstler schwierig, Stipendien oder Residenzen im In- und Ausland wahrzunehmen oder Abends von Vernissage zu Vernissage zu ziehen, um zu kontakten. Die Präsentationsarbeit der Künstlerinnen und Künstler beginnt dann, wenn alle anderen Feierabend und Freizeit haben.

 

Mutter und Kind (c) Zeichnung von Susanne Haun
Mutter und Kind (c) Zeichnung von Susanne Haun

 

Ich finde es schade, dass die beiden Lebenspositionen für oder gegen Kinder immer so krachend aufeinander stoßen. Ich fände es schön, wenn die Vertreterinnen und Vertreter der Positionen sich respektieren könnten. Es ist für mich Emanzipation und Fortschritt, dass ich die Entscheidung für oder gegen Kinder selber treffen konnte und dass heute auch viele Männer diese Entscheidung treffen müssen. Zumindestens in Deutschlands Städten teilen Eltern oft Berufs- und Kinderzeit gerecht untereinander auf, so dass beide Zeit für Beruf und Kind haben.

Man kann natürlich als Eltern auch Zeit kaufen, in dem man eine Assistentin oder einen Assistent für die selbstständige Arbeit oder ein Kindermädchen einstellt.

Ich habe mich durch Marina Abromovics Beantwortung der Frage nicht abgewertet gefühlt. Wenige Frauen handeln wie sie. Ein weiteres Beispiel ist Simone de Beauvoir. In ihren Memoiren berichtet sie ausführlich über ihre Motivation zur Kinderlosigkeit. Heute gibt es immer mehr Frauen, die sich gegen Kinder entscheiden.

Doreen Trittel schreibt in ihrem Blog (siehe hier) ebenfalls Worte zum Artikel.  „Die Gesellschaft verändert sich und es wird Zeit. Auch der Kunstmarkt kann sich davor nicht verschließen. Es wird Zeit, dass wir neue Wege beschreiten, dass alte Denkmuster aufgelöst werden. Das zeigen z.B. Sally Mann oder Annegret Soltau… Marina Abramovic bedient mit ihrer Aussage die alten Klischees und Schubladen, die es gilt mehr und mehr aufzubrechen.

Ich denke aufgrund Doreens Anregung darüber nach, ob sich die Gesellschaft wirklich ändert? Ich glaube jedoch, ein Mädchen aus Albanien oder dem Kosovo (beide stellvertretend für Jugoslawien) hat heute fast weniger Chancen, eine weltberühmte Künstlerin zu werden als zur Zeit Marina Abramovics.

Und schließlich ist es auch immernoch eine Frage, wie jeder Erfolg in seinem Leben definiert! Dementsprechend kann sie, er handeln.

 

Sie ist schwanger - Zeichnung von Susanne Haun
Sie ist schwanger – Zeichnung von Susanne Haun

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Abramovic, Marina. Mit 70 muss man den Bullshit reduzieren, in: Der Tagesspiegel, Nr. 22.827, Berlin 2016, S. S1.
http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/sonntag/interview-mit-marina-abramovic-ich-kann-keine-gemaelde-schicken-darum-schicke-ich-mich-selbst/13913260-2.html , 3.8.2016, 9:12 Uhr

 

12 comments

  1. Liebe Susanne, vielen Dank für Deine Sicht auf dieses Thema, die Diskussionen.
    Ja, die Väter bringen sich mehr ein… Vereinbarkeit ist ein großes Thema… Es tut sich vieles in unserer Gesellschaft, aber es gibt auch noch viel zu tun. Was tut sich im kunstmarkt?
    Mit den „arbeitszeiten“ gebe ich dir recht. Das ist ein Spagat, der auch mir schwerfällt. Ich frage mich, wie das mit anderen berufen, schichtdienste u. a. geht… Organisatorisch und auch emotional nicht immer einfach…
    Aber die Erfahrung, Mutter zu werden und zu sein, ist für mich auch eine große Quelle für meine künstlerische Arbeit, nicht nur im Ausdruck, sondern auch im Tun, Priorisieren…
    Und bei allen Meinungen und Entscheidungen, ja, auch ich wünsche mir einen respektvollen Umgang miteinander.
    In diesem Sinne, herzliche Grüße und einen schönen Abend, Doreen

    1. Liebe Doreen,
      ich denke, dass Alleinerziehende keinen Schichtdienst arbeiten können. Manchmal finden sich Lösungen auf der Arbeitsstelle, dass zum Beispiel die Alleinerziehende nur Tagsüber arbeitet und jemand anders im Gegenzug die Nachschichten übernimmt. Krankensschwestern wechseln oft in die Hauspflege. Sind die Paare noch zusammen, organisieren sie oft den Schichtdienst. Sehr schwer wird es, wenn beide Schichtdienst arbeiten. Oder wenn beide viel auf Dienstreisen sind. Meistens dreht sich dann alles um die Organisation vom Kind, so dass die Partnerschaft vernachlässigt wird.
      Ich bin auch sehr gerne Mutter und möchte um nichts in der Welt auf meinen Sohn verzichten.
      Danke für deine Antwort und einen schönen Samstag wünscht dir Susanne

  2. Ich schwinge mehr mit Marina Abromovic, was natürlich persönlicher Natur ist. Jede kann immer nur bei sich selbst anfangen und wenn ein Vater weg ist und auch nicht zahlt und auch kein Geld für eine Nanny vohanden ist, dann sieht es eben so aus, dass Frau Mutter ist, arbeiten geht, sich „nebenbei“ weiterbildet und irgendwo ziwschen den Zeilen ein bisschen „künstelt“ …
    Wie schon vor ein paar Wochen geschrieben, es gibt die neuen Männer und Frauen, aber es sind eben nur sehr, sehr wenige!
    herzlichst
    Ulli

    1. Ja, Ulli, das dachte ich mir. Wir sind halt doch noch in den 80zigern emanzipiert. Wobei ich die Kunst zum Beruf gemacht habe, meine Ehe ist auf jeden Fall daran gescheitert. Zwei Partner, die viel auf Dienstreisen sind, das geht nicht gut! Es gab aber auch noch andere Gründe!
      Die neuen Männer und Frauen gibt es natürlich hauptsächlich nur in sehr westlich orientierten Staaten. In Staaten, wo dieses Lebensmodel gefördert wird.
      Das ehemalige Jugoslawien gehört sicher nicht dazu und ich denke, das Marina Abramovic für ihre Sozialisierung mit dem dringenden Bedürfnis Kunst zu machen und zu kommunizieren die richtige Entscheidung getroffen hat. Es ist vor allem auch besser für die ungeborenen Kinder, denn was hätten sie von einer Mutter, die immer beschäftigt ist?
      Ich bin gerne Mutter und mein Kind ist eine ständige Inspirationsquelle.
      Liebe Grüße von Susanne

      1. das ist schön, dass du gerne Mutter bist, dann bin ich auch und auch Großmutter. Man kann sicherlich auch beides, aber dazu muss man auch gestrickt sein und generell akzeptiere ich auch das Nein von Frauen gegen Kinder, man sokkte es nur nicht verallgemeinern, dazu sind die einzelnen Lebensumstände doch zu unterschiedlich und spezifisch …
        ich grüße dich sehr herzlich, liebe Susanne
        Ulli

  3. Liebe Susanne, es ist schade, aber nun einmal Realität, dass wir nicht alles haben können. Deshalb muss jede und jeder für sich entscheiden, wo die Prioritäten liegen. Ich wollte ein Kind und ich wollte es selbst aufwachsen sehen und nicht an eine Nanny abgeben, nicht mal, um meinen Sohn von der Schule abzuholen, weil diese Zeit für mich sehr wertvoll ist. Deshalb habe ich mich entschieden, selbstständig und damit vor allem auch weniger zu arbeiten. Mit meiner Entscheidung, die mir ja auch ein ganz neues Arbeitsumfeld eröffnet hat, bin ich bis heute sehr glücklich. Ähnlich wie bei Doreen, konnte ich auch beruflich schon von meinen Erfahrungen als Mutter zehren. Aber ich wollte kein zweites Kind, weil mir das zu viel Energie für meinen Beruf rauben würde. Lieben Gruß und einen guten Start ins Wochenende, Peggy

    1. Genauso ist es, Peggy, und es ist wichtig, das zu respektieren und in die Entscheidung Kind ja / nein mit einzubeziehen.
      Ich kann dich gut verstehen, ich hatte für 1 Jahr eine Nanny, wenn ich unterwegs war und ich habe geweint, wenn ich auf Dienstreisen einen Kindergarten sah. Ich habe begonnen selbstständig als freischaffende Künstlerin zu arbeiten, als Julian 10 Jahre alt war. Vorher habe ich bei einem Zusammenschluss von ARD Anstalten gearbeitet, eigentlich auch nur 23 Stunden die Woche. Aber bei bestimmten Tätigkeiten funktioniert das einfach nicht. Reel habe ich sogar mehr als 40 Stunden die Woche gearbeitet, die mir zwar bezahlt wurden, aber das war nicht mein Lebenskonzept.
      Auch meine Entscheidung gegen ein zweites Kind ist sicher – wenn auch unbewusst – aus diesen Gründen gefallen, Peggy.
      Geniesse bloß die Zeit, die du mit dem kleinen Entdecker verbringst! Sie ist so schnell vorbei.
      Die Zeit, die ich mit meinem Kind verbracht habe und verbringe, ist mir sehr kostbar. Wenn er heute in Berlin ist, dann treffen wir uns und es ist immer noch sehr vertraut. Wir haben ja beide zur selben Zeit begonnen, zu studieren. Julian Jura in Göttingen und ich Kunstgeschichte in Berlin. Und bei den Hausarbeiten diskutieren wir beide durchaus unsere Arbeiten. Das finde ich schön.
      Ja, mein Kind inspiriert mich und macht mich stolz und glücklich.
      Ich denke, es ist alles eine Frage der Herangehensweise. Nun hätte ich Zeit, mich für Auslandsstipendien zu bewerben und Abends von Vernissage zu Vernissage zu gehen. Aber ehrlich – ich mache es wenig … das Bewerben und das Ausstellungshopping…. 🙂 🙂 🙂
      Liebe Grüße und einen schönen Samstag wünscht dir Susanne

  4. Ich bin froh, diese Diskussion hier gefunden zu haben, und zwar über deinen Kommentar, liebe Susanne, zu Mützenfalterins Mütterprojekt – wie auch, was du hier im Beitrag und du und die anderen in den Kommentaren schreibt.

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