Susanne Haun Zitat am Sonntag – Novalis

 

Dante - Jede Kreatur beugt sich der Ordnung - 50 x 20 cm - Tusche und Aquarell auf Bütten (c) Zeichnung von Susanne Haun
Dante – Jede Kreatur beugt sich der Ordnung – 50 x 20 cm – Tusche und Aquarell auf Bütten (c) Zeichnung von Susanne Haun

 

Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren
Sind Schlüssel aller Kreaturen
Wenn die, so singen oder küssen,
Mehr als die Tiefgelehrten wissen,
Wenn sich die Welt ins freye Leben
Und in die Welt wird zurück begeben,
Wenn dann sich wieder Licht und Schatten
Zu ächter Klarheit werden gatten,
Und man in Mährchen und Gedichten
Erkennt die wahren Weltgeschichten,
Dann fliegt vor Einem geheimen Wort
Das ganze verkehrte Wesen fort.

Novalis

 

Novalis: Schriften (Historisch-kritische Ausgabe), Bd. 1: Das dichterische Werk, herausgegeben von Paul Kluckhohn und Richard H. Samuel. Kohlhammer, Stuttgart, 2., nach den Handschriften ergänzte, erweiterte und verbesserte Aufl. 1960, S. 344.

 

Novalis spricht in den ersten beiden Zeilen seines Gedichts von der Absage der von der mathematischen Analyse der Welt während laut Dante sich jede Kreatur der Ordnung beugt. 500 Jahre Weltgeschichte liegen zwischen Novalis und Dantes. Geschichten, die die Welt langsam veränderten.

8 comments

  1. „…Und man in Mährchen und Gedichten
    Erkennt die wahren Weltgeschichten,…“

    Sehr schön! Eine Welt, in der Rationalität und Technokratie auf ein nötiges Mindestmaß geschrumpft sind, gleichsam zur Nebensache geworden sind.

  2. Vorsicht, das ist kein Plädoyer für Anti-Rationalismus, für ein Versinken im Irrationalen. Es geht Novalis nicht darum, hinter die Aufklärung zurück zu fallen, sondern darum, der Welt des Irrationalen wider einen Raum zu gewähren. Licht (=AufKLÄRung) und Schatten (=dunkle, irrationale Welten) sollen sich vereinigen, sie „gatten“ und in dem Akt dieser Begattung sollen sie „neue Klarheit“ zeugen. – Dialektik.

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