Projekt ohne Namen – Das Rhizom – Zeichnung von Susanne Haun

 

 

Deleuze, Tusche auf Aquarellkarton, Zeichnung von Susanne Haun (c) VG Bild-Kunst, Bonn 2018
Deleuze, Tusche auf Aquarellkarton, Zeichnung von Susanne Haun (c) VG Bild-Kunst, Bonn 2018, Das Portrait von Deleuze hängt schon seit 5 Jahren in meinem Atelier und schaut mir beim Arbeiten zu.

 

Jürgen hat mir die Vervollständigung meines letzten Satzes (#23 siehe hier) gesendet und ich möchte gerne über das von ihm verwendete Wort Rhizom diskutieren, bevor ich seinen nächsten Satz (#24) vollende.

Ich schrieb als Letztes: „Inhaltsverzeichnisse sind Wissensquellen, die …“
und Juergen antwortete: „…die das Rhizom fressen wird!“

Was aber genau ist ein Rhizom und was versteht Jürgen unter einem Rhizom?

Hier meine Diskussionsgrundlage  für Jürgen:

Wie verstehst du Rhizom? Biologisch als Wurzelstock? Der Wurzelstock wird das Inhaltsverzeichnis fressen? Oder verstehst du das Rhizom philosophisch? Deleuze versteht das Rhizom als Methaper für Wissensorganisationen und Weltbeschreibung. Wie kann aber ein Inhaltsverzeichnis bzw. Wissensquelle von einer Wissensorganisation befressen werden, da ja das Inhaltsverzeichnis schon eine Wissensorganisation darstellt?
2017 schreibst du als Buchalov, dass Juergen wie immer rumdruckste, und glaube, er wisse gar nicht so genau – im Detail jedenfalls, was ein Rhizom ist. Jürgen erzählte Buchalov allerdings immer von dem Rhizom als Methode der künstlerischen Erarbeitung von Themen, dem Rhizom als Präsentationsform und dem Rhizom als künstlerisches Thema.
Aber werden Wissensquellen tatsächlich von Präsentationsformen oder künstlerische Themen gefressen? Ist es nicht vielmehr so, dass genau diese Inhaltsverzeichnisse und Wissensquellen am Anfang unserer künstlerischen Arbeit stehen?

Ich mag diese Art von Diskussionen und bin gespannt, wie sie sich entwickeln wird.

Dieselben Fragen stellte ich auch in Jürgens Blog in den Kommentaren und er antwortete mir sofort (freu), dass er fressen im Sinn von assimilieren verstehe. Da war mir alles klar. Das Inhaltsverzeichnis wird in Jürgens Netzwerk des Wissens eingegliedert. Ich mag es, wenn sich Themen kreuzen. Ich weiss, Jürgen beschäftigst sich lange mit dem Rhizom. Die Bilder in seinem Atelier haben für ihn Index-Charakter zu Situationen und Wissen und oft besitzt nur er den Schlüssel. Aber ich bin sicher, dass seine Bilder beim Betrachten andere Denkprozeße bei mir auslösen als bei ihm. Und somit scheint mir jedes Bild in diesem Sinne ein Rhizom? Oder habe ich hier einen Denkfehler?

 

 

 System-der-kenntnisse-des-menschen.jpg: Der ursprünglich hochladende Benutzer war Asb in der Wikipedia auf Deutsch derivative work: Saibo (Δ) - System-der-kenntnisse-des-menschen.jpg (Digitalisierung von Kopie vom Original.) Das figürlich dargestellte System der Kenntnisse des Menschen (deutsche Übersetzung von de:Baum des Wissens zu Beginn von Band 1 der de:Encyclopédie von 1751, im Original Systême figuré ses connoissances humaines. Entendement. Memoire, Raison, Imagination)
Von Deleuze und Guattari vorgeschlagene, metaphorische Verwendung des botanischen Begriffs Rhizom: Das figürlich dargestellte System der Kenntnisse des Menschen (deutsche Übersetzung von de:Baum des Wissens zu Beginn von Band 1 der de:Encyclopédie von 1751, im Original Systême figuré ses connoissances humaines. Entendement. Memoire, Raison, Imagination)

 

 

Im folgenden findet ihr den bisherigen Projektverlauf:

#22 (siehe hier)

J: Und während ich hier in meinem kleinen Atelier sitze…
S: … schaue ich aus meinem Atelierfenster und imaginiere die Erhabenheit der Berge.

#21 (siehe hier)

S: Ein neuer Anfang bedeutet …
J: … Reset, und die alten Einstellungen werden in der Maschine gespeichert

#20 (siehe hier)

J: Der Himmel wartet, doch die Erde verlangt …
S: Liebe, Respekt und Verantwortung.

#19 (siehe hier)

S: „Durst wird nicht immer durch Wasser gelöscht, sondern …“
J: “ … auch mit Erdöl!“

#18 (siehe hier)

J: „Wenn ich mit dem Finger schnipse, …“
S:  „… passiert nichts weiter außer ein Schnipsen.“

#17 (siehe hier)
S: „Eine Linie biegt sich nach links nach rechts, um dann…“
J: „… an den Rändern des Blattes zu verschwinden.“

#16 (siehe hier)

J:  „Mein Engelchen, ich sage Dir …“
S:  „… nichts ist perfekt aber alles ist möglich!“

#15 (siehe hier)
S: „Wörter sind immer …“
J: „… gut oder böse.“

#15.1 (siehe hier)
J: „Worte, die den Raum fülleun und als ewiges Licht bleiben.“

#14 (siehe hier)
J: „Ich konnte zuerst den Weg nicht finden, …“
S: „… aber dann sah ich es: Am Ende des Weges war alles voller Bücher, Papier und Tinte.“

#13 (siehe hier)
S: „Wie Schneeflocken werden die Pappelsamen durch die Luft getragen und …“
J:  „… sind wie Worte, die die Erde lockern werden.“ (aus Enzensberger, Windgriff, 1964)

#12 (siehe hier)
J: „Ich schaue mich im Spiegel an und denke: …“
S: „… Nichts!“

#11 (siehe hier)
S: Die Ferne lockt mit fremden Geruechen, Farben und Tönen …
J:  …, doch mein Herz schlägt nur für dich.

#10 (siehe hier)
J: „Ich war jung und töricht, naiv und unbedarft …“
S: „… und dabei sehr fröhlich und sorglos.“

#9 (siehe hier)
S: Der Mensch blickt zurück in sich selbst und findet in der Zukunft …..
J: … den „loving cup“.

#8 (siehe hier)
J: „Der, der alleine ins Wasser geht, das ist „der Alleineinswassergeher“ und die, die zu mehreren gehen …“
S: „…werden sich selbst vergessen, fröhlich sein und planschen.“

#7 (siehe hier)
S: „Kalte Hände sind ein kritisches….“
J: „… Phänomen, denn wie sagte Christoph Ernst Freiherr von Houwald, so ungefähr: „Nimm noch einmal in Deine kalten Hände des warmen Herzens Signatur. Und ist Dein Herzensspiel noch nicht zu Ende, und kommt ein neuer Akt: so klingle nur.“ ( frei übertragen aus: Christoph Ernst Freiherr von Houwald, die Freistatt, vierte Szene, Leipzig 1820)

#6 (siehe hier)
J: „Wenn sie losgelassen werden und durch die offenen Tore fegen …“
S: „… können nicht die größten Drollerien sie aufhalten.“

#5 (siehe hier)
S: „Das perfekte Ding ist …“
J: „… das momentane Ding“

#4 (siehe hier)
J: „Ich höre die schweren Maschinen in der Ferne und ahne …“
S: „… dass sie an ihrer Last zerbrechen.“

#3 (siehe hier)
S: „Es ist schwer vorstellbar, dass der hoch in den Himmel aufragende Turm …!“
J: „… tatsächlich ein Raumschiff darstellt.“

#2 (siehe hier):
J: „Heute ist heute, morgen wird übermorgen und  …“
S: „… gestern ist nicht gewesen sondern wird Erinnerung.“

#1 Projektauftakt (siehe hier):
S: „In der Nacht verschwimmen die Gegenstände zu schwarzen verwischten Flächen, deshalb ……“.
J:  „… versucht der Abfalleimer ein verzweifeltes Glühen“.

28 comments

  1. Liebe Susanne, erstmal: sehr schön der Deleuze-Kopf, der dir beim Zeichnen zuschaut. Zweitens, zum Rhizom. Ich verstehe darunter eine besondere Form der Organisation (der Fortpflanzung, des Wissens etc). Die abgebildete Tabelle ist ein schönes Beispiel dafür, Da gehen von „Verstand“ drei gleichberechtigte Knospen aus („Gedächtnis, Vernunft und Einbildungskraft“), die dann ihrerseits weiterwuchern – und tatsächlich so ähnlich aussehen wie ein pflanzliches Rhizom. Auffallend ist, dass es keine strenge Hierarchie gibt, sondern die Ausknospungen ihrerseits neue (kleinere) Ausknospungen gleicher Güte und Bedeutung hervorbringen. Das ist anders zB bei der Pflanze, die ausdifferenziert ist in Wurzel, Blatt, Stiel, Blüte. Ebenso auffallend ist das Fehlen der Dualität – der Trennung nach Geschlechtern – und es also auch keine Kreuzungen und neuartige Bildungen gibt. Familien-Stammbäume könnte man trotz oberflächlicher Ähnlichkeit nicht als Rhizom beschreiben, weil es da an jedem Punkt der Fortpflanzung Überkreuzungen von zwei Systemen gibt, die Neues hervorbringen.
    Ob ein Rhizom (im wie auch immer übertragenen Sinne) Inhaltsverzeichnisse fressen (sich assimilieren) kann? Vielleicht, wenn man das Rhizom als immer weiter wucherndes System ansieht, das sich alles einverleibt, was ihm in den Weg kommt, also auch Inhaltsverzeichnisse und andere Wissensquellen. Der Ursprung solcher Rhizome wäre dann im Ich des Künstlers zu sehen, das sich über alle Weltbestände hermacht und sie sich einverleibt. Bei Deleuze ist die Entsprechung „Verstand“.

    1. Liebe Gerda,
      Ich denke, Wissensvermehrung wird genau von diesen kleinen Querverbindungen und Wucherungen abgebildet, die du beschreibst. Ich empfinde jedoch Fressen und Einverleiben als zu negative Worte, um diesen überaus befriedigenden Aspekt der Wissenserweiterung zu beschreiben. Ich empfinde die „Schärfung des Verstands“ und das Wissen als sich aufzunehmen als äußerst befriedigenden Umstand.

    1. Danke, dass du den Link hier nochmals setzt, Jürgen. Ich bin schon am Beantworten der Weltenseele, die ich für mich erst einmal definieren muss. Ich werde sie mit dem Salonthema des Karmischen und FLuiden vermischen 🙂

  2. Liebe Susanne,
    bei Rhizomen denke ich immer an die feinen unterirdischen Geflechte, die weit über den eigentlichen Standort hinaus Verbindungen schaffen – sie sind Träger von Nährstoffen und Informationen, von Baum zu Baum zu …
    Verbindungen, Vernetzungen – dafür sind Rhizome ein wunderbares Symbol!
    Herzliche Grüße
    Ulli

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