Projekt ohne Namen – Was ist eine Frage von Schuld? Zeichnung von Susanne Haun

 

Jürgen sendete mir diesen schwierigen Satzanfang zur Vervollständigung (siehe hier).

#33

J:„Sie sagen, ich trage die Schuld dafür, dass …“

Ich fühle mich nicht so als ob ich eine Schuld trage.

Ich gehe wählen, engagiere mich gesellschaftlich und ökologisch so, wie es meine Zeit und meine Gaben erlauben, kümmere mich im Rahmen des Leistbaren um meinen Vater, ich liebe mein Kind, ich lebe in einer sehr guten Partnerschaft.

Da fällt mir natürlich sofort der Spruch: „Keiner ist frei von Schuld!“ ein. Im Netz habe ich versucht, herauszubekommen, von wem dieses Zitat ist.

Ich denke, es handelt sich um eine abgewandelte Form von diesem Zitat „Wer zu handeln versäumt, ist noch keineswegs frei von Schuld. Niemand erhält seine Reinheit durch Teilnahmslosigkeit.“ von Siegfried Lenz aus Die Zeit der Schuldlosen . (siehe hier).

S: „… ich mich schuldlos fühle.“

Durch diesen inneren Monolog bin ich zur Vervollständigung des Satzes gelangt. Natürlich habe ich da auch Fragen an Jürgen. Kommt dieser Satzanfang aus deinem Inneren? Wofür fühlst du dich schuldig? Oder sind diese Fragen zu intim?

Ich arbeite weiter auf Julian Schnabels Katalog, «Appropriation Art» wird diese Art der Zeitgenössischen Kunst genannt (siehe hier meinen letzten Artikel dazu).

 

Wer ist ohne Schuld, 30,5 x 22,7 cm, Marker auf Katalog, Aneignung, Zeichung von Susanne Haun (c) VG Bild-Kunst, Bonn 2019
Wer ist ohne Schuld, 30,5 x 22,7 cm, Marker auf Katalog, Aneignung, Zeichung von Susanne Haun (c) VG Bild-Kunst, Bonn 2019

 

Mein neuer Satzanfang für Jürgen lautet:

#34

S: „Der Gedanke dieses Projekts liegt im …“

 

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Hier könnt ihr in unseren bisherigen Satzanfängen und -enden stöbern. Schon seit November 2016, vielleicht mit kurzen Unterbrechungen, führen Jürgen und ich diesen Dialog.

#33

J:„Sie sagen, ich trage die Schuld dafür, dass …“
S: „… ich mich schuldlos fühle.“

#32 (siehe hier)

S: „Kaffee! Noch mehr Kaffee!!! Kaffee ist das …“
J: „…was meine Zunge benötigt: rechts und links und vorne und hinten und sauer und bitter und süß.“

#31 (siehe hier)

J:  „Dieses Ding frisst kein Brot, aber ….“
S: „… es ist neckisch, es sich anzueignen.“

#30 (siehe hier)

S: „Der Stein ist ein Dada der Gertrude …“
J:  „… und damit ist alles beisammen, was die Welt der rose is a rose is a rose is a rose zusammenhält.“

#29 (siehe hier)

S: „Der Kalender neben meinem iMac zeigt Freitag, nicht den 13., und ich habe Hunger, was mich dazu veranlasst …“
J: „… eine der Druckplatten abzulecken –  nämlich die mit dem Hummermotiv.“

#28 (siehe hier)

J: Wir baten Oma sehr oft, wirklich sehr oft,  ihre zweiten Zähne in den Mund zu nehmen  …
S: … und waren jedesmal überrascht, dass sie ihre eigenen Zähne zeigen konnte. Wem gehörten also die zweiten Zähne?

#27 (siehe hier)

S: Simple und einfach ist nichts auf dieser Welt, weil …
J: …immer irgendwas in der Landschaft herumsteht und stört.

#26 (siehe hier)

J: Mir gefällt, dass …
S: … immer wieder Zeichnen von Linien!

#25 (siehe hier)

S: Natura naturata und natura naturans“ sind zwei ästhetische Begriffe, die …
J: … die mir etwas von der Trias „Gott, Natur und Mensch“ erzählt haben, die aber beim intuitiven Bogenschießen keine Rolle spielen.

#24 (siehe hier)

J: Die Weltenseele ist mir noch nicht begegnet, …
S: … während sie Susanne in dem kleinsten Blatt, selbst im Ion entdeckt.

#23 (siehe hier bei Jürgen und hier bei Susanne)

S: Inhaltsverzeichnisse sind Wissensquellen, die ….
J: …die das Rhizom fressen wird!“

#22 (siehe hier)

J: Und während ich hier in meinem kleinen Atelier sitze…
S: … schaue ich aus meinem Atelierfenster und imaginiere die Erhabenheit der Berge.

#21 (siehe hier)

S: Ein neuer Anfang bedeutet …
J: … Reset, und die alten Einstellungen werden in der Maschine gespeichert

#20 (siehe hier)

J: Der Himmel wartet, doch die Erde verlangt …
S: Liebe, Respekt und Verantwortung.

#19 (siehe hier)

S: „Durst wird nicht immer durch Wasser gelöscht, sondern …“
J: “ … auch mit Erdöl!“

#18 (siehe hier)

J: „Wenn ich mit dem Finger schnipse, …“
S:  „… passiert nichts weiter außer ein Schnipsen.“

#17 (siehe hier)
S: „Eine Linie biegt sich nach links nach rechts, um dann…“
J: „… an den Rändern des Blattes zu verschwinden.“

#16 (siehe hier)

J:  „Mein Engelchen, ich sage Dir …“
S:  „… nichts ist perfekt aber alles ist möglich!“

#15 (siehe hier)
S: „Wörter sind immer …“
J: „… gut oder böse.“

#15.1 (siehe hier)
J: „Worte, die den Raum fülleun und als ewiges Licht bleiben.“

#14 (siehe hier)
J: „Ich konnte zuerst den Weg nicht finden, …“
S: „… aber dann sah ich es: Am Ende des Weges war alles voller Bücher, Papier und Tinte.“

#13 (siehe hier)
S: „Wie Schneeflocken werden die Pappelsamen durch die Luft getragen und …“
J:  „… sind wie Worte, die die Erde lockern werden.“ (aus Enzensberger, Windgriff, 1964)

#12 (siehe hier)
J: „Ich schaue mich im Spiegel an und denke: …“
S: „… Nichts!“

#11 (siehe hier)
S: Die Ferne lockt mit fremden Geruechen, Farben und Tönen …
J:  …, doch mein Herz schlägt nur für dich.

#10 (siehe hier)
J: „Ich war jung und töricht, naiv und unbedarft …“
S: „… und dabei sehr fröhlich und sorglos.“

#9 (siehe hier)
S: Der Mensch blickt zurück in sich selbst und findet in der Zukunft …..
J: … den „loving cup“.

#8 (siehe hier)
J: „Der, der alleine ins Wasser geht, das ist „der Alleineinswassergeher“ und die, die zu mehreren gehen …“
S: „…werden sich selbst vergessen, fröhlich sein und planschen.“

#7 (siehe hier)
S: „Kalte Hände sind ein kritisches….“
J: „… Phänomen, denn wie sagte Christoph Ernst Freiherr von Houwald, so ungefähr: „Nimm noch einmal in Deine kalten Hände des warmen Herzens Signatur. Und ist Dein Herzensspiel noch nicht zu Ende, und kommt ein neuer Akt: so klingle nur.“ ( frei übertragen aus: Christoph Ernst Freiherr von Houwald, die Freistatt, vierte Szene, Leipzig 1820)

#6 (siehe hier)
J: „Wenn sie losgelassen werden und durch die offenen Tore fegen …“
S: „… können nicht die größten Drollerien sie aufhalten.“

#5 (siehe hier)
S: „Das perfekte Ding ist …“
J: „… das momentane Ding“

#4 (siehe hier)
J: „Ich höre die schweren Maschinen in der Ferne und ahne …“
S: „… dass sie an ihrer Last zerbrechen.“

#3 (siehe hier)
S: „Es ist schwer vorstellbar, dass der hoch in den Himmel aufragende Turm …!“
J: „… tatsächlich ein Raumschiff darstellt.“

#2 (siehe hier):
J: „Heute ist heute, morgen wird übermorgen und  …“
S: „… gestern ist nicht gewesen sondern wird Erinnerung.“

#1 Projektauftakt (siehe hier):
S: „In der Nacht verschwimmen die Gegenstände zu schwarzen verwischten Flächen, deshalb ……“.
J:  „… versucht der Abfalleimer ein verzweifeltes Glühen“.

19 comments

  1. Ist ein schönes, vielleicht auch grausames Spiel, das viel aussagt über beide Beteiligten.

    Hab mal versucht, zu vervollständigen und erkannt, wie schwer es ist ..

    Schönen Abend wünscht Sven 🙂

  2. deinem inneren Monolog habe ich gern gelauscht, Susanne. Ich glaube, es ist eine abgewandelte Form des Satzes, den Jesus zu den Schriftgelehrten sagt: wer ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein. (Es geht um die Steinigung einer Ehebrecherin)

    1. Ja, Gerda, du hast recht. Ich gehöre noch einer Generation an, die sogar schon in der Grundschule mit der Bibel und auch mit der Steinigung der Ehebrecherin konfrontiert wurde. Später wurde das Thema gut im Leben des Brian von Monthy Phyton umgesetzt.
      Mein Sohn erzählte mir vor kurzem, dass er erstaunt sei, wie wenig seine Mitstudenten/innen Bibelfest wären. Nicht mal die drei heiligen Könige seien bekannt.
      Ich halte die biblische Geschichte für einen Teil unseres Kultur und finde es schade, wie Werte, die nicht unbegingt an eine göttliche Macht geknüpft sind, nicht mehr in Fleisch und Blut übergehen. Vielleicht muss erst Netflix eine Serie über die Bibel drehen, damit sie wieder ins Bewusstsein der Menschen dringt.

  3. Hallo Susanne, schön, dass es weitergeht.
    ich selbst bin gar nicht der Ursprung des Satzes, obwohl ich sicherlich im Kleinen bisweilen auch Dinge tue, die nicht so dolle sind und für die ich verantwortlich bin, vielleicht auch im Sinne von Schuld. Nein, ich habe im Laufe der Jahre aber oft gehört, von anderen, das diese von jemandem sagen, das er Schuld an irgendeinem Missstand trage.
    In diesem Sinne,
    Liebe Grüße
    Juergen

    1. Lieber Jürgen, ja, Schuld im Sinne von „Ich habe einen Fehler gemacht“ wird gerne weitergereicht. Das ist sehr beliebt in unserer Zeit. Leider….
      Schuld ist für mich aber ein viel mächtigeres Wort als das, was es bedeutet, einen Fehler zu machen.
      Oder? Wie siehst du das?
      Liebe Grüße von Susanne

  4. Was ich, liebe Susanne, gedanklich noch nicht klar habe, und es bewegt mich schon lange, ist die Frage, ob wir auch die Schuld für die Sünden unserer Väter oder Mütter tragen müssen oder sollen oder können.
    Bis bald.

    1. Nein, Jürgen, das sind wir nicht. Obwohl wir Kriegsenkeln und -urenkeln unter der Schuld der Akteure des 2. Weltkriegs immernoch auf der einen oder anderen Art leiden. Hast du eines der vielen Büchern zum Thema „Kriegsenkel“ gelesen? Zum Beispiel „Das Erbe der Kriegsenkel: Was das Schweigen der Eltern mit uns macht“ oder von Sabine Bode „Die vergessene Generation: Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen“? Das von Sabine Bode habe ich gelesen und einiges besser verstanden.
      Liebe Grüße von Susanne

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