Entstehung Europa, 178 × 205 cm, Acryl auf Leinwand, Gemälde von Susanne Haun (c) VG Bild-Kunst, Bonn 2022

Wo schaut Europa hin? Gemälde von Susanne Haun

Wann ist ein Bild fertig?

Mittwoch, der 12. Januar 2022:

Ich sitze seid 3 Stunden vor meinem Rechner und drücke mich vor dem Weitermalen besser Weiterzeichnen. Davor habe ich eine Woche vor der Leinwand gesessen. Ich weiß, wie ich die Leinwand weiter bearbeiten möchte. Ich möchte auf die farbigen Flächen schwarze Tuschelinien setzen. Ich möchte der Leinwand meine Gedanken geben.
Es kostet mich große Überwindung, diese farbenfrohe nach Tizians Europa gemalte Leinwand weiterzubearbeiten. Ich bin mir klar, sie ist noch nicht fertig. Und nochmals, ich weiss und will auch, dass sie nun meine Handschrift erhält.

Auseinandersetzung mit Tizian und Europa

Es ist schön, in diesen Dialog mit Tizian zu treten. Ich denke, wenn ich die kleine Insel mit den Menschen in der Ferne sehe an Lesbos, an Flüchtlingsunterkünfte, Gedanken, die Tizian nicht denken konnte, liegen doch diese Vorkommnisse weit in seiner Zukunft.

Die Zukunft die für mich Gegenwart ist

Ich möchte nicht kopieren, ich möchte mir Tizians Sichtweise aneignen, seine historische mit meiner zeitgenössischen Sichtweise in Einklang bringen.

Überwindung

Es kostet Überwindung, ich werde mir jetzt ein Herz fassen und beginnen.

Tusche im Rausch der Farben

Donnerstag, der 13. Januar 2022

Wieder war es wie ein Rausch, das Gemälde zu beenden. Ich habe die Linien dort gesetzt, wo ich mir vorgenommen hatte. Die tiefschwarze Tusche liess sich auf der grundierten und doch rauen Leinwand nicht so einfach setzen, wie ich mir das vorgestellt habe aber letztendlich trägt genau dieser Umstand zur Bewegung vor und ich bin ausgesprochen Zufrieden mit den Linien.

Dokumentation

Freitag, der 14. Januar – Sonntag, der 16. Januar 2022

Die Dokumentation des Kunstwerks dauert noch einmal einige Zeit. Am Aufwendigsten ist es, die Fotos aus meiner Spiegelreflexkamere, Tablet und Handy zusammen in mein Bildarchiv aufzunehmen. Ich überlege, welche Fotos sich am besten eignen, sondiere die Filme, überlege, wie ich sie schneiden kann und lade dann die Fotos in mein Werkverzeichnis und anschließend in meinem Blog hoch. Dazu verkleinere ich die Fotos, damit sie nicht zuviel Platz benötigen. Die original Fotos, die sich auch für Publikationen eignen, liegen auf dem Server in meinem Archiv.

Nun beginne ich damit, das Kunstwerk bei Singulart, der Pariser Galerie einzustellen, dann folgt der Blog, in dem ich dann auf meine Singulart Präsenz hinweise. Zum Schluss lade ich das Bild auf Instagram hoch. Dafür verwende ich die App Grid Post. So kommt kann die Größe der Leinwand auf Instagram für jeden gut sichtbar abgebildet werden. Auf Instagram verweise ich auf singulart und auf meinen Blog.

Diskussion mit Nina

Die Kunsthistorikerin und Verlegerin Nina Alice Schuchard diskutiert oft mit mir über meine Kunst. Darüber bin ich sehr glücklich. Ich habe ihr ein kleines Handyfoto meiner Europa gesendet und folgende Fragen von ihr erhalten:

„Dein Bild würde ich natürlich lieber im Original sehen, bevor ich etwas dazu sage, aber ich versuch’s mal:

Der Kontrast zwischen den lieblichen Bonbonfarben und dem brutalen Thema hat mich zunächst irritiert, dann fand ich ihn spannend. Um das Boot und das Lager zu sehen, braucht es (auf meinem kleinen Bildschirm) einen zweiten und genauen Blick. Das macht das Bild weniger plakativ und wer die Botschaft übersehen möchte, kann das vielleicht auch tun. Da sehe ich eine Frage nach deiner Intention, d.h. wie deutlich möchtest du werden? Gleichzeitig sehe ich, dass das genau unserer Lebensrealität entspricht, dass wir in unseren kuscheligen Stuben eben wenig davon mitbekommen, was z.B. in Moria oder gerade in Afghanistan vorgeht, wenn wir es nicht sehen wollen. Darüber kann man ruhig reflektieren.

Ich konnte nicht erkennen, was du im Bild geschrieben hast. Magst du es mir noch verraten?“

Nina Alice Schuchard, Kunsthistorikerin

Was habe ich mir bei meinen Europa Kunstwerk gedacht?

Das große Bild ist von Tizians Europa inspiriert. Es gehört theoretisch zum Projekt der Alten Meister, wo auch der Correggio (->Klick) und das Mädchen mit den Perlenohrring (->Klick) dazu gehören. Ich habe die Leinwand Europa im Herbst 2019 begonnen und schon kurze Zeit später wieder abgebrochen. Einzig die beiden gezeichneten Engeln oben in der linken Ecke waren ansatzweise ausgearbeitet. Später übermalte ich die Ausarbeitung. Da die Ausstellung der neu interpretierten Alten Meister abgesagt wurde und das Projekt mich bei der Corona Aktualität nicht abholen konnte, habe ich die Leinwand weggepackt und die Corona Kunstwerke, die in meiner Werkschau (-> Klick) im Eichhörnchenverlag abgebildet werden, gezeichnet.

Ende des letzten Jahres 2021 habe ich im Zuge meiner neuen Energie begonnen, wieder sehr große Leinwände in expressiven Pinselstrichen zu malen. Im Dezember habe ich die angefangene Europa Leinwand an meine Atelierwand gespannt und mit dem Malen begonnen. Nur auf Tizians Fußstapfen zu reisen, war mir lange nicht genug. Ich dachte an das, wofür Europa für die Flüchtlinge der Welt außerhalb unseres Kontinents steht, die Strapazen, die sie auf sich nehmen für die Hoffnung auf ein besseres Leben. Ich dachte ebenso an die vergangenen Flüchtlingswellen während des 2. Weltkriegs und ich dachte an „Mensch sein“ in Europa. Die Zerstrittenheit Europas macht mir große Angst, mein Gemälde ist fertig, sonst wäre bestimmt noch meine Angst eingeflossen, dass die USA und Russland über Europas Köpfen über Krieg entscheiden möchte. Ich wünschte mir, auch Europa hätte eine Stimme in der Welt. Sicher liegt es an die Unterschiedlichkeit der Mentalität der Staaten Europas, dass Europas Stimme nicht groß und einheitlich ist.

Das „nicht sehen wollen“, das kann Europa gut. Sie, die Europa auf meinem Gemälde, schaut von ihrem Stier in den Himmel und nicht auf die Ereignisse der Welt.

Nun zu den Schriftzeichen:
Die Zeichen von Mann und Frau sind befürchte ich, von meiner Auseinandersetzung mit mir selbst zum Thema Gendern. Ich weiss immer noch nicht, wie ich die Geschlechterfrage in meiner Dissertation handhabe. Nur weiblich? Nur männlich? mit „:“ oder mit „*“. Auch das ein elementares Problem, das gut zu Europa passt.

Die Engel oben Links ziehen folgende Schriftzeichen nach:
„Wandel der Zeit, nein, Dumheit, Europa …. “
Es sind Fragmente, ich stülpe in diesem Moment, wo ich auf Leinwände oder Zeichnungen schreibe meinen Kopf aus. Es sind Gedankenfetzen, meine eigentliche Konzentration liegt auf dem Bild.   
Über Europas rotem Tuch steht „Zusammenhalt“, das ist das, was ich mir wünsche. Deshalb steht es auch gleich nochmal in Europas Arm.
Im Stier steht: „Der Stier geht unter“
Im Meer nochmals „Europa und Wellen und Wogen“

Was sagt ihr dazu, meine Leserinnen und Leser, Sammlerinnen und Sammler, Betrachterinn und Betrachter, Freundinnen und Freunde?



Hier die Daten des Gemäldes: Wo schaut Europa hin? (Tizian nachempfunden), 2022 von Susanne Haun, Deutschland, Acryl, Tusche auf Leinwand, 178 x 205 cm, 6.000 Euro

Samlungen bei Singulart mit Bildern von Susanne Haun

Ich bin mit meinen Bildern in einigen Sammlungen vertreten, so auch der Basquiat:

Zeichnungen und Arbeiten auf Papier (-> Klick)
Musik und Kunst: Nur für das Gefühl (-> Klick)
Die zwölf Tierkreiszeichen des Zodiaks (->Klick)
In Zeiten von Covid19 (->Klick)
Inspiriert von Jean Michel Basquiat (-> Klick)
Kunst und Umwelt (-> Klick)
Inspiriert von Johannes Vermeer (-> Klick)
Winterfeeling (->Klick)
Katalog 2020 (->Klick)

17 comments

    1. Liebe Petra,
      ich rolle sie, am besten auf einer Papprolle.
      Über die Jahre haben sich schon einige angesammelt. Manchmal sind 3 – 4 große Leinwände auf einer Rolle.
      Liebe Grüße in die Schorfheide von Susanne

      1. Danke, liebe Susanne, mit meinen Fahnenbildern mache ich das ja auch so, aber bei den Leinwänden hab ich mich das bisher nicht getraut. Da aber das Platzproblem ständig wächst, ist das eine gute Lösung… Sonntagsgrüße von Petra

        1. Liebe Petra,
          Acryl und Tusche auf Leinwand lassen sich gut Rollen. Allerdings würde ich bei Ölbildern vorsichtig sein. Eine meiner großen Leinwände (400 x 240 cm) ist leider auch gebrochen, ich habe eine sehr schwere 800 g/qm echt Leinen Leinwand 😉 verwendet, die ich auch selber grundiert habe. Die gewählte Grundierung eignete sich nicht für die sehr hochwertige Leinwand. Ich bin noch am Überlegen, wie ich nun mit der Leinwand weiter verfahre.
          Liebe Sonntagsgrüße von Susanne

          1. Liebe Susanne, oh ja, Öl bricht oder klebt. Da wüsste ich auch nicht weiter. Ich habe das Öl wegen der Dämpfe verlassen, ist nicht wirklich gesund für die Malerin…Mit Tusche war ich noch nie auf einer Leinwand, aber mit gelber Holzbeize (aus dem Baumarkt). Mein verstorbener Malerfreund Eckhard Böttger aus Finsterwalde hat in seinen frühen Jahren viel mit brauner Beize gearbeitet, da hatte ich es mir abgeschaut und bin dann weiter zu den leuchtenden Beizen gekommen. Ist auch nicht so teuer… Stürmische Sonntagsgrüße von Petra

            1. Ich mag auch lieber weiße Grundierung, Petra, wahrscheinlich, weil ich auch viel auf den Leinwänden zeichne. 🙂
              Bei uns hat es auch ganz schön gestürmt! Zum Glück ist nichts durch die Luft geflogen. Nur Äste sind heruntergekommen.
              Liebe Grüße von Susanne

  1. Ein hochinteressanter Beitrag, liebe Susanne. Danke, dass Du uns an der Entstehungsgeschichte dieses Bild teilhaben laesst.
    Liebe Gruesse,
    Pit
    P.S.: Dieses Mal versuche ich, per Microsoft Edge zu kommentieren, weil sowohl Firefox and auch Chrome nicht wollten.

  2. Ein groß angelegtes Projekt, bewundernswert.
    Dass Präsentaion zu Kunst dazugehört, das lerne ich z. Zeit auch. Deien Präsentationsarnbeit hat ja enorme Ausmasse.

    Unlängst, im September, war ich bei Dittmann, einem Skulpteur und kaufte eine Arbeit von ihm, mit „Europa“ betitelt.
    Es ist ein vielschichtiges Werk, das ich noch zu zeigen habe. Es war bisher noch keine Zeit und ich muss es adäquat fotografieren, sonst macht es keinen Sinn.

    Liebe Grüsse
    Gerhard

    1. Ich binn gespannt auf die Skulptur, Gerhard. Eine Skulptur ist noch schwieriger zu präsentieren. Heute habe ich das Filmmaterial geschnitten, was ich während der Erstellung der Europa gefertigt habe. Den Link nehme ich gleich in dem Beitrag auf.

      1. „Eine Skulptur ist noch schwieriger zu präsentieren.“
        Weiß nicht, ob ich mal erzählt hatte, dass ich ein Opernbild von Hopper in Köln im Original sah und als Gegensatz das Bild in 2 verschiedenen Katalogen. Die Abbildung hatte mit dem Original wenig zu tun.

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