Die Seherin - Zeichnung von Susanne Haun - 40 x 30 cm - Tusche und Aquarell auf Papier

Gendern – Erwägungen von Susanne Haun

Ich vor meiner Tucan Frau in der Galerie Zeitlos - Foto von Daniel Büchner
Susanne Haun vor der Zeichnung Tucan Frau

Ich schreibe seit gut einem guten Jahr an meiner Dissertation und bin sehr zufrieden mit meinem Fortschritt.

Entscheidung treffen

Ich habe jedoch ein großes Problem bei meiner Dissertation: das Gendern.
Meiner Professorin ist es egal, wir Doktorandinnen sollen uns nur für eine Variante entscheiden. Was mir in der Erstellung meiner Kunstwerke so leicht fällt, Entscheidungen treffen, fällt mir im wissenschaftlichen Text umso schwerer.

Ich bin eine Frau

Ich möchte als Frau meine Dissertation gegendert schreiben. Denn was nicht ausgesprochen wird, was nicht benannt werden kann, das existiert nicht und das haben wir Frauen nicht verdient.
Ich finde, Künstlerinnen, Kunstwissenschaftlerinnen, Kuratorinnen, Direktorinnen sollten benannt werden.
Es gibt viele Frauen, die der Meinung sind, dass sich mit der männlichen Form auch angesprochen fühlen. Wozu gibt es dann aber eine weibliche Form?

Beide Geschlechter

Bisher habe ich deshalb immer beide Geschlechter im Text benannt, also Künstlerinnen und Künstler usw. Das kann ich leider in meiner Dissertation nicht durchhalten, es macht meines Erachtens den Text sperrig. Stern oder Doppelpunkt kommen für mich in einem wissenschaftlichen Text auch nicht in Frage, sie machen den Text grammatikalisch unlesbar.

Wenn ich also Gendern möchte, dann müsste ich mich generell für die weibliche Form entscheiden und schon in den Fußnoten der Einleitung darauf hinweisen, dass die weibliche auch die männliche Form einschließt.

Aber auch dazu konnte ich mich noch nicht entscheiden. Obwohl es durchaus üblich ist, diese Form umgekehrt zu nutzen, also die männliche Form benutzen und die weibliche Form in den Fußnoten einschließen.

72 Seiten

Es ist ein schweres Thema und je mehr ich in meiner Dissertation vorankomme, desto größer wird der Änderungsaufwand, egal für welche Methode ich mich entscheide.

Im Moment benutze ich kunterbunt die männliche und die weibliche Form. Ich bin auf 72 Seiten.

Gerne lese ich hierzu eure Meinung in den Kommentaren.

Was ist Gendern eigentlich?

Gendern bedeutet geschlechtergerechte Sprache. Mit dem geschlechterbewussten Sprachgebrauch soll die Gleichbehandlung der Geschlechter zum Ausdruck gebracht werden. Im Deutschen wird bis heute meist das generische Maskulinum verwendet, also die männliche Variante. (Quelle: https://www.lpb-bw.de/gendern#c76341)

Und auch das dritte Geschlecht „divers“ sollte genannt werden. Bisher habe ich dieses Geschlecht immer vernachlässigt.

Wenn ihr dem Quellenlink folgt, könnt ihr viel zur aktuellen Diskussion erfahren.

19 comments

  1. Das Problem, Susanne, beim Gendern ist meiner Meinung nach, dass die weibliche Form eben keine selbständige, sondern eine abgeleitete Form ist. Es ist im Deutschen das männliche Nomen plus in, innen – abgesehen von den seltenen Fällen, wo es eine eigene Form gibt wie Hausfrau Hebamme, Putzfrau. Im Griechischen ist es etwas anders, ich zB heiße Kazakou, mein Mann Kazakos, ich bin ein Genitiv.
    Im Singuar ist die weibliche Form ganz gut zu brauchen: Künstlerin, Wissenschaftlerin bezieht sich auf eine ganz bestimmte, hier weibliche Person, Im Plural wird es wegen der Doppelung hässlich. Ich empfinde das Gendern mit zwei zwei Geschlechtern zudem unzeitgemäß in einer Zeit, in der die Zwischengeschlechter sich vermehrt zu Wort melden und ihr Recht einfordern. Es ist durchaus nicht nötig, bei jeder Leistungserbringung darauf hinzuweisen, welches Geschlecht der Leistungserbringer (die Leistungserbringerin) hat.
    Den Kampf um die Rechte und die Sichtbarkeit der Frauen will ich nicht in jedem thematischen Zusammenhang austragen, Ich persönlich benutze normalerweise beim Plural die übliche Form, die für mich inklusiv ist (also: Künstler, Wissenschaftler) außer es geht mir ausdrücklich um das Thema der weiblichen Repräsentanz und ihren Eigenbeitrag, also nur da, wo es thematisch wichtig ist. Da rede ich dann von Frauen, Künstlerinnen, Wissenschaftlerinnen, Ingenieurinnen, Soldatinnen. dann aber nicht gleichzeitig auch von den männlichen Mitgliedern des Berufsstandes. Genauso wenig wie ich, wenn ich eine Rinderherde sehe, Kühe, Bullen und Ochsen sage. Interessieren mich die Kühe, sage ich Kühe, will ich über Ochsen reden, sage ich Ochsen. 😉

    1. Ich wäre dir raten, deine Entscheidung beim ersten auftretenden Falll in einer Anmerkung zu begründen, so wie ich es hier tat, und dir dann weiter keine Gedanken zu machen.

    2. Liebe Gerda, ja, über die abgeleitete Form habe ich noch gar nicht nachgedacht. Da hast du recht! Krankenschwester fällt mir da noch ein. Alles wieder niedrig bezahlte Berufe, jedenfalls in Deutschland.
      Zur inklusiven weiblichen in der männlichen Form schreibe ich noch einen Kommentar, den ich als Antwort auf alle Kommentare dieses Beitrags sehe.
      Ja, ich erwähnte ganz am Schluss meines Beitrags die weiteren Geschlechterformen. Das macht die Sprache nicht einfacher.
      Danke für deine Kommentare, liebe Grüße von Susanne

  2. Liebe Susanne, für mich ist gendern überhaupt kein problem, bin seit den 1980er Jahren darin geübt. Du schreibst: „Das kann ich leider in meiner Dissertation nicht durchhalten, es macht meines Erachtens den Text sperrig“ – und genau das glaube ich nicht, ich habe es sogar bei meinem Kinderbuch gemacht und es war kein bisschen sperrig und selbst die Lektorin hatte daran nichts zu kritteln. Nur Mut 😉
    Herzliche Grüße und gutes Gelingen
    Ulli

    1. Danke für deinen Kommentar und deine guten Wünsche, liebe Ulli. Grammatikalisch sind beide Geschlechter der beste Weg, jedoch hat mich Gerda auf die weiteren Geschlechter hingewiesen, die ich damit diskriminiere. Ich müsste also auch hier ein Fußnotenvermerk machen. Im Moment tendiere ich zu dieser Lösung.
      Ich schreibe noch einen Gemeinschaftskommentar für alle, die sich zu meinem Beitrag geäußert haben. Vielleicht willst du den auch lesen. Aber erstmal beantworte ich alle Kommentare. 🙂
      Liebe Grüße von Susanne

      1. Ich werde mal bei dir schauen.
        Ja, Gerdas Hinweis ist wichtig. Ich las gerade das Buch Frauen, Mädchen etc – da war das auch u.a. Thema, schwierig.

        1. Ich mochte das Buch sehr, Ulli, sehr beeindruckend. Interessant fand ich die unterschiedlichen Methoden, mit der Situation umzugehen. Und, das Buch hat hat ja nicht nur das eine Thema Frau, sondern auch den Rassismus.

  3. „Denn was nicht ausgesprochen wird, was nicht benannt werden kann“
    Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe, die hier gleich gesetzt werden, liebe Susanne. Und auch die Aussage, „was nicht benannt werden kann, das existiert nicht“, ist m.E. falsch bzw. nicht logisch. Umgekehrt waere es richtig: „Was nicht existiert, das kann nicht benannt werden.“
    Liebe Gruesse,
    Pit

    1. Lieber Pit,
      Es ist nicht logisch aber leider wahr. Wie willst du von etwas berichten, was keinen Namen hat? Du kannst die Person oder den Gegenstand beschreiben aber nicht benennen.

      Ich schreibe noch einen Gemeinschaftskommentar für alle, die sich zu meinem Beitrag geäußert haben. Vielleicht willst du den auch lesen. Aber erstmal beantworte ich alle Kommentare. 🙂
      Liebe Grüße von Susanne

  4. Mir geht’s da anders. Ich definiere mich und mein Dasein nicht darüber, dass ich im Zusammenhang mit meinem Frausein explizit sprachlich bedacht werde. Das ist in meinen Augen reine Kosmetik. Auf den Inhalt kommt es an. Und darauf, dass Frauen im realen Leben die gleichen Chancen haben und auf keiner Ebene benachteiligt werden. Und mal ganz abgesehen davon macht das Gendern Texte hölzern, sperrig und krampfig. Ich gendere deshalb bewusst nicht in meinen Texten. Das generische Maskulinum finde ich völlig in Ordnung. Aber wie gut, dass das jeder für sich entscheiden kann!

    1. Liebe Elke,
      Du hast recht, Gendern macht Texte sperrig und hölzern.
      Den Rest von meinem Kommentar hat mein iPad geschluckt. *grrrrr*
      Vielleicht magst du meine anderen Kommentare zum Beitrag lesen. 🙂

      Ich schreibe jetzt noch einen Gemeinschaftskommentar zum generischen Masulinum für alle, die sich zu meinem Beitrag geäußert haben. Vielleicht willst du den auch lesen. Ich finde es auch gut, dass zurzeit noch jeder selber entscheiden kann.

  5. Liebe Susanne,
    ich persönlich habe kein Problem mit dem Gendern und empfände die Schreibweise mit dem Stern auch – oder gerade – in einem wissenschaftlichen Text nicht als sperrig. Aber ich bin, wie Ulli, schon länger mit dem Thema vertraut als es in der heutigen oft hitzigen Diskussion ist.
    Wie auch immer Du Dich entsscheiden wirst, toi toi toi und weiter viel Schaffenskraft fürs Schreiben.
    Liebe Grüße
    Ines

    1. Liebe Ines,
      Auch ich bin länger mit dem Thema vertraut und habe bisher in meinen wissenschaftlichen Arbeiten das generische Maskulinum mit dem Hinweis, dass er die weibliche Form inkludiert, verwendet.
      In meinem Blog habe ich das * verwendet, bis ich für den Weddingweiser begonnen habe zu schreiben. Dort wird grundsätzlich die weibliche und männliche Form verwendet, das habe ich dann in meinem Blog übernommen. Ich mag diese Form am liebsten.
      Ich schreibe jetzt noch einen Kommentar für alle, die diesen Beitrag kommentiert haben. 🙂
      Liebe Grüße von Susanne

  6. Hallo ihr Lieben!

    Könnt ihr mir mal drei Künstler nennen?







    Habt ihr an Leonardo Da Vinci, Andy Warhol und Caspar David Friedrich gedacht?







    Warum sind euch nicht Artemisia Gentileschi, Niki de Saint-Phalle und Angelika Kauffmann eingefallen?

    Warum habt ihr nicht Da Vinci, Gentileschi und Caspar David Friedrich geantwortet?





    Klar! Ich habe nach Künstler gefragt und nicht nach Künstlerinnen.
    ….
    Das ist der Grund, warum ich die inkludierte weibliche Form im Männlichen nicht o.k. finde.
    Die Künstler prägen sich ins unser kulturelles Gedächtnis, die Künstlerinnen werden nicht benannt und damit gelangen sie auch nicht in unser kulturelles Gedächtnis.




    Vielleicht versteht ihr mich jetzt besser?


    Einen schönen Abend wünscht euch Susanne

    1. Liebe Susanne, eine gut geführte, informative Diskussion war das. Ob sie dir am Ende geholfen hat, deine Gedanken zu klären? Mir scheint. ja. Du wirst wohl die Doppelform wählen und wegen der übrigen Geschlechter eine Anmerkung machen? Ich denke, das ist für dich die richtige Lösung.
      Den Punkt, dass es gut ist, dass „man heute noch wählen kann“, möchte ich dennoch unterstreichen. Was jetzt als Befreiung der Frauen aus der männlichen Vorherrschaft empfunden werden kann, kann in Zukunft als neuer Zwang erlebt werden, an dem sich die Geister erhitzen und die Menschen entzweien. Und da werde ich dann wieder abseits des mainstreams für das Recht auf Selbstbestimmung plädieren.
      Was deine Frage angeht: dass einem so wenige Frauen einfallen, wenn nach Künstlern gefragt wird, liegt daran, dass sie kunstgeschichtlich stark in der Minderzahl sind und oft genug als Ehefrauen von männlichen Künstlern bestenfalls eine Erwähnung fanden. Das hat sich in der letzten Zeit aber sehr verändert. Gentileschi zB ist aus der völligen Unbekanntheit herausgetreten und inzwischen ein Fimstar. Modersohn-Becker ist weit anerkannter als ihr Mann, und Sonia Delaunay-Terk ist auch stark am Kommen. Abramovic ist eine der bekanntesten Künstlerpersönlichkeiten der Neuzeit usw usf. Ich finde es durchaus wichtig, dass die Frauen ihren Platz erhalten, und weiterhin dafür zu kämpfen, dass sie sichtbarer werden – genauso sichtbar wie die Männer.. Darauf kommt es an. Die sprachliche Form wird sich dann auch finden – je nachdem, und zwanglos. Liebe Grüße! Gerda

      1. Du nennst die bekannten Künstlerinnen, Gerda, z.B. in der Neuen Nationalgalerie machen diese Künstlerinnen nur knapp über 10 % aller Künstlerinnen und Künstler aus, die gehangen werden.
        Das Fach Kunstgeschichte wird Durchschnittlich von 95% Frauen absolviert. Schau dir mal an, wer auf die Direktorinnen und Direktoren Posten der großen Häuser sitzt! Alles Männer, Frauen dürfen Kupferstichkabinette oder Kunstgewerbemuseen leiten. Naja, kann man sagen: immerhin!
        Ich kann dir dieses Buch empfehlen:
        Christadler, Maike: Kreativität und Geschlecht, Giorgio Vasaris „Vite“ und Sofonisba Anguissolas Selbstbilder, Berlin 2000.
        Auf Vasari und seine nicht gleichberechtigten theoretischen Beschreibungen von Kunstwerken von Künstlerinnen gehen heute noch viele Kunsttheoretische Arbeiten zurück. Ich gehe in meiner Dissertation darauf ein.
        Liebe Grüße von Susanne

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