Das Hochhaus an der Weberwiese und was Erziehung bewirkt – Susanne Haun

Wird der Name Frankfurter Allee, ehemals Karl-Marx Alle, ehemals Stalinallee genannt, stellt sich bei mir ein negatives Gefühl ein.

Hochhaus von Hermann Henselmann  (c) Foto von Susanne Haun
Hochhaus von Hermann Henselmann (c) Foto von Susanne Haun

Es war die Prunkstraße der DDR und die DDR, das habe ich als Westberlinerin von Kindestagen eingebläut bekommen, ist sehr schlecht gewesen. Folglich habe ich mir die Häuser dort kaum angeschaut, ich habe selten die Frankfurter Allee besucht, auch nach Grenzöffnung nicht.

Heute haben wir uns im Architektur Mentorium das Hochhaus an der Weberwiese von Hermann Henselmann angeschaut.

Wohnhaus mit Laubengang von Hans Scharoun (c) Foto von Susanne Haun
Wohnhaus mit Laubengang von Hans Scharoun (c) Foto von Susanne Haun

Das Hochhaus, es war das erste Berlins, ist eindrucksvoll. Es ist natürlich zu bedenken, dass bis 1950 Ost-Berlin genau wie West-Berlin modernen Siedlungsbau betrieb. Begonnen wurde damit schon Mitte der 20ziger Jahre und auch an der Frankfurter Allee, gerade über des Hochhauses steht noch ein Gebäude mit Laubengängen von Hans Scharoun. Danach wurde nach den Richtlinien des sowjetischen Städtbaus gebaut.

Kacheln aus Meissner Porzellan  (c) Foto von Susanne Haun
Kacheln aus Meissner Porzellan (c) Foto von Susanne Haun

Es wurden Trümmersteine für den Bau verwendet, die verputzt wurden. Die Sockelzone besteht aus Marmor, der vom Landsitz Herman Görings, Carinhall, entnommen wurde. Ein Portikus aus Marmorsäulen steht vor der Eingangstür. Die am Haus angebrachten Kacheln sind aus hangefertigten Meissner Porzellan.

Säulenportikus im Eingangsbereich  (c) Foto von Susanne Haun
Säulenportikus im Eingangsbereich (c) Foto von Susanne Haun

Das Haus ist 35 Meter hoch. Bertolt Brecht war begeistert vom Bau und verfasste auf Bitte Henselmanns für das Hauptportal die Inschrift „Dieses Haus wurde errichtet zum Behagen der Bewohner und Wohlgefallen der Passanten“. Die Worte wurden nicht verwendet, stattdessen wurde folgender Brecht-Vers eingemeißelt: „Friede in unserem Lande, Friede in unserer Stadt, daß sie den gut behause, der sie erbauet hat“.

Geradeüber befindet sich die Weberwiese, die ein grüner Erholungsort für die Mieter ist.

Ich habe im Kopf, dass das Hochhaus ein sozialistischer Prestigebau ist. Aber losgelöst von der Politik gefällt mir das Haus!

6 comments

  1. Liebe Susanne,

    …und ich verbinde mit diesen Gebäuden Kindheitserinnerungen… Ja, so unterschiedlich ist das 😉

    Eine kleine Anmerkung: Die Karl-Marx-Allee ist das heute noch. Sie geht vom Alex bis zum Frankfurter Tor. Dort geht sie in die Frankfurter Allee über.

    Ich verband immer ein unangenehmes Gefühl mit dem heutigen Bikini-Haus am Zoo, was ich jetzt sehr schön finde. Ja, so ändert sich der Blick auf Architektur.

    Sonnige Grüße,
    Doreen

    1. Liebe Doreen,

      warum verbindest du ein unangenehmes Gefühl mit dem Bikini-Haus am Zoo?
      Das ist für mich ein völlig wertneutrales Haus – ich habe auch eher ein bedrückendes Gefühl, weil ich bis vor dem Umbau das Haus selber bedrückend fand. Die Akadenzone war immer so dunkel und der Zoo hatte an sich den Ruf Rauschgiftumschlagplatz zu sein. Nach dem Umbau habe ich mir das Haus noch nicht wieder angeschaut.

      Architektur ist immer politisch, selbst bei den Wohnhäusern. Das habe ich im Kapitel Siedlungsbau gelernt.

      Liebe Grüße von Susanne

      1. Liebe Susanne,

        nein, heute finde ich die Ecke toll. Ich wohne ja auch in der Nähe. Früher war das für mich ein Symbol für uns beigebrachtes ‚Feindbild‘ 😉 Der Zoo- Bahnhof und die Gegend drumherum und die dunklen Arkaden.
        Liebe Grüße, Doreen

        1. Liebe Doreen, ich bin erstaunt, wie sehr sich „Feindbilder“ in die Gedanken der Menschen einprägen. Und dann wundern wir uns über die Glaubenskriege… oder nein, wir wundern uns nicht …. LG von Susanne

  2. Liebe Susanne, schön, dass ich durch Dich einen ganz neuen Blick auf die Stadt bekomme, in der ich 11 Jahre gelebt habe. Mir gefällt allerdings Brechts erster Satz besser, klingt irgendwie eleganter. Vielleicht sollte ich mal ein paar Architekturstudien hier in Greenwich machen.
    Lieben Gruß, Peggy

    1. Liebe Peggy, auch mir gefällt Brechts erster Satz besser. Über Architekturstudien aus Grennwich würde ich mich freuen. Kennst du die Reclamserie Kunst und Architektur von den verschiedenen Städten? Die gefällt mir sehr gut. Für mich die besten Reiseführer… im Moment jedenfalls …
      LG von Susanne

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