Nietzsches Begriff von „frei sein“ und ein Orchester – Linoldrucke von Susanne Haun

Orchestermusik fasziniert mich immer wieder – besonders der Dirigent, der es schafft so viele Musiker zu koordinieren.

Wloka, der Aquarellmaler, zitierte Henry Matisse in seinem Blog:

1999 - Saxophonist - Linoldruck von Susanne Haun - 30 x 20 cm auf einer Kunstzeitung
1999 - Saxophonist - Linoldruck von Susanne Haun - 30 x 20 cm auf einer Kunstzeitung

„Heutzutage ist alles teuer für den Maler – Farben, Material, das Leben überhaupt. Wenn ich ein junger Maler wäre, würde ich eine bezahlte Arbeit annehmen, dann wäre ich unabhängig und könnte frei malen. Meine Kunst würde nicht darunter leiden. Wenn ich mich mit kitschiger Malerei befassen würde, wenn ich Weihnachtsgebäck verzierte, dann würde das meine Kunst beeinträchtigen, aber eine Arbeit als Bankangestellter oder das Beladen von Güterzügen würde mir nicht schaden.
Nietzsche sagte: „;Alle Künstler sollten einen Beruf lernen, um frei zu sein.“;
Man braucht nur drei oder vier Stunden täglich zu arbeiten. Dann kann man ehrlich malen und braucht sich nicht um den Geschmack der anderen zu kümmern.“;
Henri Matisse

1999 - Dirigent - Linoldruck von Susanne Haun - 20 x 15 cm
1999 - Dirigent - Linoldruck von Susanne Haun - 20 x 15 cm

Ich kann Matisse Worten nicht folgen. Ich habe von 1999 – 2004 nebenbruflich 23 Stunden die Woche bei einem Zusammenschluss mehrerer ARD Anstalten gearbeitet und hatte dort die Aufgabe in den Redaktionen von den Redakteuren zu erfahren, was sie für ein bestimmtes Projekt von einem Computerprogramm erwarten, diese Informationen mußte ich dann bündeln und zu einem Gesamtprogramm zusammenstellen.
Ich war einfach kaputt, wenn ich aus den Redaktionen kam – ich mußte von Berlin nach Leipzig, Dresden, Chemnitz, Magdeburg und mehr und konnte in der Zeit keine Kunst machen, denn ich mußte meine Arbeit machen. Ich bin um 4 Uhr früh aufgestanden, um Zeit für meine Kunst zu haben, aber die Gedanken sind gebunden an den Job und ich möchte meine Gedanken an die Kunstprojekte binden.

In einem Beruf auch wenn er nur 4 Stunden täglich ist, ist man nicht frei für die Kunst! Nietzsche täuscht sich. Wenn ich 5 Stunden am Tag „Kohlen schaufel“ zittert meine Hand so, dass ich keine Linie zeichnen kann, ich bin müde und mein Kopf ist leer.

1999 Trompeter mehrfache gedruckt 30 x 60 cm - Linoldruck von Susanne Haun
1999 Trompeter mehrfache gedruckt 30 x 60 cm - Linoldruck von Susanne Haun

Ich habe 2004 meinen Job gekündigt, um mich ganz auf die Kunst zu konzentrieren. Entgegen allen Ratschlägen. Ich habe diesen Entschluss NIE bereut. Sicher, ich möchte nicht verheimlichen, dass ich finanziell lange nicht so gut dastehe wie vorher.

Bei Wloka schrieb ich folgendes als Antwort im Blog – das war natürlich die pure Provokation aber es stimmt schon zum Teil:
„1 Stunde aus dem Branchenbuch vermeindliche Kunden für deine Kunst abtelefonieren, 1 Stunde am Rechner PDF Flyer für deine Kunst fürs Internet erstellen, 1 Stunde im Internet Galerien heraussuchen und anschreiben, 1 Stunde Pressearbeit am Rechner = 4 Stunden an 5 Tagen –> da hast du dann auch einen Erfolg daraus — das Problem ist, nicht den Mut zu verlieren bei der 1.001 Absage und auch wirklich diese 4 Stunden am Tag darin investieren…… auch die Kunst ist einfach eine Selbständige Arbeit “

1999 - Gitarrist - Linoldruck von Susanne Haun - 20 x 30 cm
1999 - Gitarrist - Linoldruck von Susanne Haun - 20 x 30 cm

Natürlich nehme ich mir nicht jeden Tag das Branchenbuch vor …. ich gehe da schon etwas differenzierter vor, aber ich telefoniere täglich mit Interessierten, Galeristen und Malschülern über Kunst. Suche nach neuen Kunstprojekten und schaue mir die Kunstzeitungen im Internet an, lese Kunstbücher etc. Meine Leser können das ganz gut hier im Blog verfolgen, was ich so mache!

Man kann halt auch den Tag nicht so nach Stunden aufteilen – gestern waren wir den ganzen Tag in Saalfeld bei Maren, der Galeristin, und morgen sind wir in Rostock zum Künstlertreff mit Frank Koebsch. Was würde das für Probleme geben, wenn wir jeden Tag 4 Stunden arbeiten müßten – und glaubt mir, ich weiss, wovon ich rede.

Ich bin ohne eine Arbeit außerhalb der Kunst frei. Ich möchte nicht verheimlichen, dass ich mit meinem Sohn in einer 40 qm 1 Zimmer Wohnung lebe – ich habe ja hier die Kosten der Kunst dargelegt, es ist immer die Frage, was man bereit ist, für seine Freiheit zu zahlen. Mein 17jähriger Sohn hat beschlossen, dass er, egal was er studiert, später eine Festanstellung haben möchte. Eine Anstellung, wo am Monatsende das Geld auf dem Konto kommt.

Alles hat seinen Preis im Leben – es ist nur die Frage, ob man bereit ist, ihn zu zahlen. Freudig zu zahlen!

Aber das, was für mich richtig ist, muss für andere noch lange nicht der richtige Weg sein. Es ist nur mein Weg. Ich weiss, ich klinge manchmal sehr absolut. Aber ich möchte meinen Weg nicht als Gottesurteil verstanden wissen!

Nun bin ich dieses mal sehr persönlich geworden. Das war nicht mein Ziel aber zur Beantwortung mancher Fragen scheint es sich nicht vermeiden zu lassen.

1999 - Geigerin - Linoldruck von Susanne Haun - 20 x 30 cm
1999 - Geigerin - Linoldruck von Susanne Haun - 20 x 30 cm

Jedenfalls, als ich die 1999 die mdr Redaktion Klangkörper nach Ihren Wünschen befragte, entstand ein Linoldruckzyklus mit Orchestermusikern.

Warum ich damals Linoldrucke erstellte? Ich hatte nicht nur den Job, ich hatte auch einen 5jährigen Sohn zuhause und beim Linoldruck konnte ich alles stehen und liegen lassen es hat der Linie keinen Abbruch getan, wann ich sie weiter in das Gummi ritze. So habe ich jede 5 Minuten frei genutzt, an meinen Platten zu arbeiten. Um um 4 Uhr Morgens, wenn alle schliefen habe ich gedruckt!

21 comments

  1. huhu, heutzutage geht es gar nichtmal bei einem nebenjob darum um frei malen zu können sondern um überleben zu können….welcher kleine künstler kann ohne ehepartner der einen unterstützt oder anderen einnahmen neben der kunst miete zahlen, material kaufen, kind ernähren?…und der nebenjob von 4 stunden reicht nichtmal, also um frei malen zu können braucht man dann schon nen sehr sehr gut bezhalten nebenjob….wer einen kennt bitte melden…..
    ein volltagsjob ist hinderlich, hab ich selbst erlebt, täglich 8 stunden am mikroskop gesessen hat keinen raum für kunst gelassen….nichtmal mehr am wochenende…

    aber ich bin ja gern malerin….und ich male gern für geld;-)

  2. danke, susanne, für deine offenen, privaten worte! auch dir conny!
    viele glauben ja, daß kunst sowieso zu teuer ist und dadurch die künstler sich im reichtum suhlen.
    wenn sie dann nachrechnen, dann werden sie ihre meinung überdenken.

    4 stunden täglich arbeiten, dann könnt ich nimmer malen, da wär die energie weg.

    sicher ist es schön, von seiner kunst leben zu können!

    1. Ja, es ist schöne, Eva. Ich habe lange drüber nachgedacht, ob ich so ehrlich hier schreiben soll und habe mich dann dafür entschlossen. Manche Fragen scheint man eben nur beantworten zu können, wenn man sie ehrlich und offen wiedergibt.
      Grüße Susanne

  3. interessante schilderung aus deinem arbeitsleben und sehr interessante druckvariationen. ich finde den saxophonisten auf der kunstzeitung sehr interessant. war das urspruenglich ein probedruck oder bewusst gesteuerter zufall? 😉

  4. Das war bewußt gesteuert, Iris. Ich habe sehr viele Drucke auf Zeitungen, Prospekten und Plakaten. Gerade Prospekte und Plakate sind auf so gutem Papier, dass es schade ist, sie immer einfach wegzuschmeißen. Deshalb habe ich sie damals zum Drucken genommen. Es macht sehr viel Freude, sich zu überlegen, wo man die Platte hinsetzt.
    Ich arbeite nach dem Prinzip der verlorenen Form, so dass ich mir die Auflage so oder so schon beim ersten Druck überlegen muss.

  5. wenn man auf bereits gestaltete hintergruende druckt, spricht der hintergrund mit seiner eigenen sprache ein woertchen im inhalt mit.das bild bleibt noch weniger eindeutig und jeder betrachter assoziiert etwas anderes. das gefaellt mir. eine oeffnung in mehrere ebenen.

    1. Man lebt grundsätzlich nicht von der Malerei, sondern vom Verkauf der Malerei.

      Die Frage lautetdaher richtig: Wie gut muss man verkaufen, um von davon leben zu können.

      Es ist egal, wie gut Du malst.

    1. Das mache ich Bianca, der Dirigent ist schon „ausverkauft“ von den anderen habe ich noch den einen oder anderen Druck, sie liegen in der Preisklasse wie meine Zeichnungen. LG Susanne

  6. Zitat:

    Jonas Burgert war lange auf der Suche. „Zehn Jahre lang habe ich gemalt und gemalt, und keinen hat’s interessiert“, sagt er und grinst zur Ironie der eigenen Geschichte: Nach dem Studium an der Berliner Universität der Künste mietet er sich eine Garage an der Schönhauser Allee, für 80 Euro im Monat, Fenstergibt es nicht, kalt ist es auch. Um Farbtuben und Essen kaufen zu können, kellnert er tagsüber, trägt Kabel, schuftet auf dem Bau. Hauptsache, nichts, wofür man den Kopf braucht. Den braucht er für die Nacht, für seine Bilder.

    Und plötzlich gilt er als Shootingstar der jungen deutschen Kunst. Christoph Heinrich, Leiter der Hamburger Galerie der Gegenwart, sah zwei seiner Bilder auf einer kleinen Berliner Kunstmesse. Eines kaufte er. Und kurze Zeit später zeigte er Burgerts Werke auf einer Gruppenausstellung gegenwärtig: Geschichtenerzähler neben denen von Neo Rauch.

    Quelle:
    ZEITmagazin LEBEN, 06.03.2008 Nr. 11, von Dialika Krahe

    1. Da kann ich nur sagen „Respekt“!

      Jeder geht seinen Weg und den gilt es zu finden.

      Hier noch mal der Wikipedia Link zu seiner Biogafie und hier der Link zu seiner Homepage – sehr sehenswert!. Nach dem Studium erhielt er ein Nachwuchsförderstipendium der udk, dass es ihm ermöglichte in Ägypten zu arbeiten. In seine Kunst fließt die dort gesehene Grabkunst ein. Wenn ich auf seiner Homepage bei der Lektüre des ganzen Artikels verstanden habe, braucht er die Nacht für seine Bilder und arbeitet auch jetzt noch in der Nacht!

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