Die Küchenuhr von Borchert – Illustrationen von Susanne Haun

 

Im Januar bewarb ich mich für den Otto-Dietscher-Preis 2017 für Illustration.

 

1 Die Kuechenuhr - innerlich ist sie kaputt (c) Zeichnung von Susanne Haun
1 Die Kuechenuhr – innerlich ist sie kaputt (c) Zeichnung von Susanne Haun

 

Es waren drei Texte vorgegeben, aus denen einer ausgewählt und zwischen 3 bis 5 Illustrationen angefertigt werden sollten. Die Zeichnungen durften nicht signiert, nur mit einer Nummer gekennzeichnet sein, damit “der Künstlername” keine Rolle spielte.

Leider ist meine Illustration nicht ausgewählt worden. Hier findet ihr die Preisträger.

Die Generation der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 2. Weltkriegs stirbt, nur noch wenige Augenzeugen leben. Ich gehöre zur Generation der Kriegsenkelkinder. Meine Oma berichtete mir, wie es war, ausgebombt zu werden, sie erzählte anschaulich, wie ganze Straßenzüge brannten und das Feuer mit seinem Licht die Nacht zum Tag und mit seiner Wärme den Winter zum Sommer machte. In Berlin, meiner Heimatstadt, waren in den 70iger Jahren, in denen ich aufwuchs, noch die Kriegsschäden zu sehen. Inzwischen sind sie fast ganz verschwunden.

In der Schule gehörte die Küchenuhr von Borchert zur Pflichtlektüre. Schon als ich sie mit 15 Jahren zum ersten Mal las, knüpfte ich Verbindungen von der Uhr zu den Erlebnissen meiner Oma.

 

2 Die Kuechenuhr - er kam nach Hause ins Paradies (c) Zeichnung von Susanne Haun
2 Die Kuechenuhr – er kam nach Hause ins Paradies (c) Zeichnung von Susanne Haun

 

Borchert verwendet sehr einfache, stilistische Mittel. In knappen Sätzen verwendet er die Sprache der armen, einfachen Menschen, von denen die Geschichte handelt. Aufgrund dessen entschloss ich mich, Marker und Layoutpapier für die Illustration der Geschichte zu verwenden. Die Linien der Marker können nicht durch Druck modelliert werden, ein Mischen der Farben ist nicht möglich. So einfach wie Borchert seine Geschichte erzählt, so einfach habe ich die Illustration gestaltet. Die Linien sollen die Intention des Autors aufnehmen und vermitteln. Wichtig war für mich beim Illustrieren die Semantik der um halb drei stehen gebliebenen Küchenuhr, weswegen sie in allen drei Blättern aufgenommen wird. Die Farbe Blau symbolisiert die Zeit des Paradieses vor dem Krieg, die Zeit nach dem Krieg wird in zwei Grautönen dargestellt.

In den drei Blättern sind die Kernaussagen Borcherts „Trümmerliteratur“ festgehalten:

Blatt 1: Susanne Haun, Die Kuechenuhr – innerlich ist sie kaputt, 30 x 40 cm, 2017, Zeichnung, Marker auf Layoutpapier
Blatt 2: Susanne Haun, Die Kuechenuhr – er kam nach Hause ins Paradies, 30 x 40 cm, 2017, Zeichnung, Marker auf Layoutpapier
Blatt 3: Susanne Haun, Die Kuechenuhr – sie sahen ihn nicht an, 30 x 40 cm, 2017, Zeichnung, Marker auf Layoutpapier

Borchert möchte den Leser zum Nachdenken über den Krieg anregen, die Küchenuhr ist in der Vorderansicht das Symbol für das verlorene Paradies vor dem Krieg und in der Hinteransicht zeigt sie die Zerstörung der Seele des Mannes. Der Mann ist seelisch überfordert mit der Situation. Die Zuhörer sind gleichgültig, der Mann hat keine Familie mehr, der er seine Not anvertrauen kann, er vertraut sich Fremden an. Borschert löst mit seiner Erzählung starke Gefühle aus, die auf den Illustrationen bildlich dargestellt sind.

 

3 Die Kuechenuhr - sie sahen ihn nicht an (c) Zeichnung von Susanne Haun
3 Die Kuechenuhr – sie sahen ihn nicht an (c) Zeichnung von Susanne Haun

 

 

6 comments

  1. Mir gefällt das dritte sehr.
    Hattest du die Möglichkeit, deine Überlegungen zur Technik vorzustellen? Vielleicht hätte das das Resultat beeinflusst? ich verstehe, dass solche “einfachen” Techniken weniger geschätzt werden als zB Radierungen.

    1. Nein, die Jurierung fand anhand der Arbeiten anonym durch Nummern statt, ich konnte zwar Vita und meine Gedanken zu meiner Arbeit mitsenden, beides wurde auch einbehalten, aber für die Auswahl spielte es keine Rolle. Aber mir selber hat das Projekt sehr viel Spaß gemacht, ich setze mich im Moment viel mit den Kriegskindern auseinander, schliesslich ist mein Vater auch ein Kriegskind und manchmal, wenn wir beide auf der Küchenbank sitzen, dann erzählt er von damals und manchmal kann ich dann Nachts nicht schlafen. Freitag saß zusätzlich Papas Bruder also mein Onkel auf der Bank und beide berichteten ein wenig, manche Dinge sind für beide unaussprechlich, dann ist ein Band zwischen ihnen, das sie ein Leben lang zusammengeschweisst hat. Sie werden beide dieses Jahr 80.

      1. Hab herzlichen Dank für dies, liebe Susanne, es fühlt sich so gut an, was du da schreibst, trotz des Furchtbaren, was es einschließt. Von einer etwas älteren Freundin erfuhr ich dieser Tage, dass die alten Erinnerungen an die Zerstörung ihrer Heimatstadt durch Bomben wieder hochkommen, “wie ein Eitergeschwür, das platzt”, sagte sie. Sie hatte die Erinnerungen verdrängt und ist davon krank geworden. es ist notwendig, sich zu erinnern und den Schrecken aufzulösen.Liebe Grüße dir! Gerda.

        1. Ja, Gerda, kennst du das Buch “Die vergessene Generation” von Sabine Bode? Ein sehr gutes und auch sehr trauriges Buch. Ja, die vielen Kriege auf der Welt bringen viel Verdrängtes wieder hoch, so geht es auch meinem Vater und seinem Onkel, sie verstehen die welt nicht mehr, warum nach 70 Jahren des Friedens der Schrecken offensichtlich wieder vergessen ist.

          1. Vergessen von denen, die sich nicht erinnern können oder wollen. Ich bin selbst Kriegskind, wenngleich von Bombenerfahrung und Flucht verschont geblieben. Aber tief sitzt mein Abscheu vor Kriegshandlungen jeder Art, zumal mein Vater bei draufging. Borchert war einer meiner Lieblings-Autoren als Schülerin, ich schrieb gelegentlich darüber (“Sag nein!”)

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