Christrosen – Zeichnung von Susanne Haun

Gestern brachte Gerda einen kleinen Weihnachtsstrauß mit ins Atelier.

Die Schneerosen auch Christrosen genannt, sind wunderschön und bieten meiner Feder viele verschiedene Linien.

Ich habe in Johann Wolfgang von Goethes Schriften zur Kunst, Zweiter Teil, einen interessanten Satz zum Thema Blumenmalerei gefunden:
“Wenngleich die menschliche Gestalt, und zwar in ihrer Würde und Gesundheitsfülle, das Hauptziel aller bildenden Kunst bleibt, so kann doch keinem Gegenstande, wenn er froh und frisch in die Augen fällt, das Recht versagt werden, gleichfalls dargestellt zu sein, und im Nachbild ein großes, ja größeres Vergnügen zu erwecken, als das Urbild nur immer erregen konnte.”

Ich denke, das Hauptziel der Kunst hat sich geändert. Ich glaube, es gibt kein einheitliches Ziel mehr sondern jeder Künstler definiert sein persönliches Ziel, welches er/sie erreichen möchte.

Im Wiki wird nichts viel von Goethe und der Kunst geschrieben aber der Hatje Cantz Verlag hat das Buch “Goethe und die Kunst” herausgebracht. Ich würde es gerne lesen aber es ist leider vergriffen. So habe ich nur die im dtv erschienen Schriften Goethes zur Kunst, die ich Sonntags auf dem Adventbüchertrödel kaufte.

4 comments

  1. Man kann goethe schon verstehen, wenn man sich sagt, daß die natur, zu der der mensch ja auch gehört, sich in bereiche aufteilen lässt und nicht einheitlich ist. sie teilt sich dann in mineral, pflanze, tier und mensch. das mineral ist auch in der pflanze und auch im tier und im menschen aber andersrum ist die pflanze nicht im mineral denn das mineral ist ein toter körper und die pflanze ein lebendiger, wachsender sich wandelnder körper. also es gibt in den vier naturreichen eine entwicklung, bei der das nächste höher steht als das vorherige. so steht also (bei aller bescheidenheit) der mensch an letzter aber an höchster stelle der naturreiche. für die kunst ebenso wie für die wissenschaft muss er doch eigentlich das höchste objekt darstellen, das in der natur zu finden ist.

  2. verzeih mir, das ich nocheinmal mein senf dazu gebe. aber nach dem fünf-uhr-kaffee werd ich immer so mitteilsam.
    es gibt nämlich in dem ausspruch goethes noch den zweiten teil, in dem er davon spricht, das das nachbild des dargestellten gegenstandes ein größeres vergnügen bereiten könne als das urbild desselben. merkwürdig oder? was meint er mit urbild, wie verstehst du das?
    ich glaube, das die antwort dahingeht, das es eben doch ein ziel in der kunst gibt.
    wir müssen uns nur auf ein begriff der kunst verständigen, der sich wirklich auf die realität bezieht und nicht auf ein hirngespinnst. davor, meine ich, fürchten sich die meisten künstler und so scheint es, als gebe es dieses ziel nicht, weil jeder eben sein eigenen ideen folgt, die er sich in seinem keller oder sonstwo audgedacht hat.
    ich nannte ja vorhin schon die vier naturreiche – mineral,pflanze,tier,mensch. der künstler muss sich doch in irgendeiner form auf diese beziehen, wenn er etwas darstellt. denn diese vier schließen doch alles sichtbare ein, schon die luft, das wasser sind mineralischer natur. aber es muss auch ein übergang geben zwischen diesen naturreichen. stellen wir uns vor, es gebe keine blumen, kein gras, kein irgendwie pflanzliches leben, kein wachstum, kein keimen, kein sprossen, kein treiben, kein fruchten, kein samen. es könnten dann auch keine tiere, keine menschen dasein. wir wären dann eigentlich auf einem toten, hohlen körper mit unserer vorstellung, wir wären eigentlich gar nicht auf unserer erde. was ist das für eine kraft, die aus dieser vielzahl von mineralien eine solche komplizierte organisation macht, das innerhalb dieses mineralischen lebens pflanzliches leben werden kann. die pflanze ist kein totes system von mineralischem austausch, wie uns die wissenschaft weiss machen will. sie ist etwa so tot, wie unser stoffwechsel, wenn wir essen. eine kraft ist es, ein wesen muss es sein, das ganz genau bescheid weiss über die mineralien, sie um sich organisiert und erhebt und zur pflanze würdigt. das meint doch goethe mit der urpflanze, die er in seiner metamorphosenlehre anspricht.
    und wie würdigt denn nun der künstler das mineralische, den toten gegenstand, das stilleben, wenn er es darstellt. doch nicht, in dem er es nur naturalistisch nachmacht – das soll die naturwissenschaft machen. er würdigt es, indem er es ebenso würdigt und erhebt, wie es das pflanzenwesen, die urpflanze tut. indem er das stilleben lebendig, wachsend, treibend darstellt. der gegenstand soll nicht isoliert für sich dastehen, sondern nach einer seite sich verdichten, sich abschließen und sich nach der anderen seite öffnen, sich auflösen. und von aussen soll der gegenstand getragen sein und aufnehmen, was sich da am gegenstand löst.
    wenn man so auch die stadtlandschaft malt, die ja auch eigentlich nur aus aufgetürmtem erdmaterial besteht, das sie nach der einen seite wachsend, nach der anderen seite welkend dargestellt ist, wenn man so richtig das gefühl bekommt, das ist nicht nur eine stadtansicht, das ist ein lebewesen, dann ist das kunst. alles andere ist illustration.
    und wenn man an pflanzen rangeht und sie wirklich künstlerisch darstellen will, dann muss der künstler auch sie würdigen und erheben. wie würdigt man das pflanzliche als künstler?
    ich kann mir vorstellen vor einem blumenbild zu stehen und plözlich überwältigt zu sein von diesem anblick, den einem die natur so nicht geben kann, bei dem das nachbild würdiger erscheint als das urbild. ich stelle mir vor, was von einem solchen blumenbild ausgeht, das es mich so überwältigt. obwohl es nur eine vorstellung ist, ich glaube, das jeder dieses gefühl kennt, der schon einmal begeistert vor einem blumenbild stand oder vor einem sonstigen bild, in dem das pflanzliche nicht nur hintergrund war. ein solches blumenbild, das uns schon einmal begeistert hat, war nicht nur so dargestellt, das wir das gefühl hatten, die blume war lebendig. wir hätten eher behaupten können, sie könne wahrnehmen, als könne sie fühlen, als wenn ihre blüte ein sinnesorgan wäre, als könne sie ein laut von sich geben, als wäre sie in ihrer eigenen umgebung und nicht irgendwo.
    ich glaube, das es das ist, was einen an einem blumenbild begeistert. warum?
    weil damit die blume gewürdigt wird, das man sie so darstellt, als hätte sie eine seele.
    ich glaube, das der künstler ein ziel hat, insofern die kunst ein ziel hat. darüber lasst uns künstler doch miteinander sprechen. meese meint, die kunst hätte ein politisches ziel, ja die kunst sei politik. aber ich glaube, das ist sein persönliches ziel. was macht er also: politik. aber politik ist nicht kunst.
    ich glaube, letztenendes ist das ziel der kunst, den menschen zu erheben, ihn zu würdigen. das kann man aber nicht einfach machen, das kann man heute höchstens versuchen, vorbereiten. denn so wie ich das sehe, sieht sich der mensch nicht gerade in seiner erhabensten und würdevollsten stunde. der mensch ist doch heute auch nur totes mineral. den atomen schreiben wir alles leben zu, das gehirn denkt und fühlt, nicht ich. wenn es das ich nicht gibt, wie soll ich dann den menschen würdigen? – solange der künstler sich speist von einer wissenschaft, die nur den toten, ich-losen menschen im auge hat, solange kann es keine kunst geben. solange kann kunst nur anhängsel sein, schwimmend im wirtschaftsbrei, gelenkt von politisch-wissenschaftlichem leben.

  3. Hallo Patrick, ich freue mich, dass dich mein Beitrag so gesprächig machte.
    Ich verstehe als Urblild die Pflanze in der Natur selber. Ist sie verblüht, so ist die Freude dahin während das Abbild in der Kunst noch viel länger Freude bereitet. So lange, wie das Bild existiert.
    Ich glaube, die Gemüter streiten sich sehr um den Begriff der Kunst. Es gibt so viele Antworten auf die Frage “Was ist Kunst?”.
    Ich persönlich würdige die Planzen und Städte und Stillleben, indem ich ihnen dynamische Linien uns Lebendigkeit gebe. Ich fülle die Bilder mit meinen Gedanken, also ich gebe zum mineral,pflanze,tier,mensch mein Leben dazu. Mit allen Erfahrungen.
    Ich habe heute im Kunstmagazin Berlin gelesen dass Freud der Auffassung war, das jeder Beitrag zu Kultur ein Betrag gegen den Krieg ist. Ich sehe es auch wie du, Patrick, Kunst ist nicht Politik. Kunst drückt das Gefühl des Künstlers in dem Augenblick aus, in dem sein Gesehenes mit der Farbe zusammentrefft und sich vermischt.
    Ich kenne auch das Gefühl das mich ein Bild total begeistert. Die Traumstadt von Klee ist solch ein Bild für mich. Aber es mischt sich mein Gefühl, als ich sie das erste Mal sah mit den Farben und der Kenntnis des Lebens von Klee zusammen.
    Ich bin Abends nicht mehr so schreibwütig. Ich muß erstmal noch weiter über dein geschriebenes nachdenken und morgen weiter darüber schreiben.
    Gruß Susanne

Kommentar verfassen