Eiskalte Gedanken zur Aktis – Radierungen von Susanne Haun

Letzte Woche war ich in Bethanien und habe die letzten beiden Radierungen für das erste Kapitel von Klausbernd Vollmars Buch “Arktische Fantasien” radiert.

Eisbrecher - 15 x 20 cm - Radierung - Aquatinta von Susanne Haun
Eisbrecher – 15 x 20 cm – Radierung – Aquatinta von Susanne Haun

Eigentlich ist es nun nicht mehr notwendig, nach Bethanien zu fahren und dort zu radieren, habe ich doch nun meine eigene Presse (siehe hier). Ich wollte allerdings die letzen Termine nicht absagen und ich mag auch die Kommunikation in der Druckwerkstatt. Vielleicht werde ich aufgrund dessen auch ab und an zum Ätzen in die Werkstatt fahren.

Am Donnerstag halte ich ein Referat zur Radierung an der Uni. So habe ich in Bethanien die Pressen fotografiert. Ich finde eine Radierpresse sieht sehr gut aus, ich mag die ausgeklügelte Mechanik.

Ich war noch nie in der Arktis, so sind die beiden Radierungen meine Vorstellung von der Arktis. Von Klausbernd weiß ich, dass seine Erinnerung und meine Vorstellung von der Arktis sich nicht decken. Wir werden darüber noch diskutieren, das wird sicher spannend. Für mich ist nicht nur eine reele Abbildung wichtig, denn dann kann ich ein Foto benutzen. Für mich persönlich sind die Linien in einer Radierung natürlich sehr wichtig. Klausbernd findet die Linien sehr unruhig.
Wenn ich mir die Radierung “Eisfront” anschaue, so ist da Eis dort tatsächlich sehr dramatisch, so wie ich mir das vorstelle, wenn ich an riesigen Eisfronten vorbei fahre. Aber in der Realität ist das Eis viel glatter und ich denke, ich habe Klausbernd richtig verstanden, wenn er von einer Stille in der Weite des Eises spricht.

Eisfront der Arktis - 15 x 20 cms (c) Radierung von Susanne Haun
Eisfront der Arktis – 15 x 20 cms (c) Radierung von Susanne Haun

Einen Eindruck von Klausbernds Reise in die Aktis könnt ihr hier auf seinem Blog erhalten.

For my english speaking reader:
I like etching and these days I etch to new leafs for the arctic cycle. But Klausbernd and I discus the structure of the ice front in the second etching. I like to discus it, I never been in the arctic and I draw and etch my imagination of it.

24 comments

  1. Liebe Susanne,
    eine prima Idee, die unterschiedliche Sichtweisen der Arktis hier zu thematisieren. Ich vermute, dahinter verstecken sich männliche und weibliche Sehgewohnheiten. Für mich hat die Arktis den Charakter des männlichen Archetypen (Animus): klar, streng, ruhig und ziemlich geometrisch. Ich sehe, um mit Rudolf Steiner zu reden, das tote Bild des Lebens in der Arktis, das mich fasziniert. The ghist – ich glaube im Deutschen wäre der erste intuitive Gesamteineindruck – des hohen Nordens ist für mich Einfachheit und Klarheit. Du siehst – und jetzt wird`s kompliziert – so wie ich deine Radierungen sehe, die Arktis lebendiger. Da sind mehr Spannungslinien, das Bild wirkt auf mich unruhiger. Diese Sichtweise hat durchaus ihre Berechtigung, da in der Tat das Pack- und Treibeis im arktischen Becken ständig unter Spannung steht. Ich bin mehr von dem Überblick und der Weite der Hoch-Arktis fasziniert, Susanne sieht mehr das Detail. Womöglich sieht ein Schreibender die Arktis, durch sein Medium des Ausdrucks gefiltert, anders als eine Künstlerin.
    Ich finde das interessante Fragen, wie auch, ob der künstlerische Ausdruck Vorrang vor der realistischen Abbildung der Realität hat.
    Es erstaunt mich, wie solch eine frohe Zusammenarbeit so spannende Fragen aufwirft.
    Mit herzlichen Grüßen von der hochsommerlichen Küste Norfolks, wo Dina und ich gerade erst aus dem Garten hereingekommen sind. Siri und Selma haben Hunger. Also gibt`s nun Essen.
    Ganz liebe Grüße
    Klausbernd
    Ich bin gespannt, was andere zu diesen Fragen meinen.

    1. Lieber Klausbernd,
      ich habe schon oft festgestellt, dass Frauen und Männer, ja alle Menschen unterschiedliche Sichtweisen besitzen und so denke ich, wird es auch bei der Betrachtung der Arktis so sein.
      Ja, es stimmt, ich sehe die Arktis lebendig. Das Eis alleine in seiner Bewegung. Schon alleine, wenn ich Eiswürfel aus dem Kühlschrank nehme, finde ich das Knacken und die Kraft, die in ihnen steckt, faszinierend.
      Ich persönlich denke auf jeden Fall, dass die künstlerische Sichtweise Vorrang vor der Realität hat. Noch dazu, Klausbernd, weil ich die Realität nicht beurteilen kann, da ich ja nie dort war. Aber ich denke, dass dieses Gefühl für die Arktis, dass ich durch deine Erzählungen, den Filmen und Büchern, die ich gesehen und gelesen habe durchaus auch real zu nennen ist. Oder?
      Ich finde diese Diskussion auch interessant, denn was ist mit den ganzen abstrakten Bilder, die auch keine realistischen Abbildung sind aber in denen doch die Seele und das Empfinden der Künstler für die dargestellte Sache steckt.
      Wie sehen denn die anderen Leser das? Ich bin auch gespannt….
      Einen schönen Abend wünscht euch in Cley verbunden mit lieben Grüßen Susanne

      1. Ich schalte mich hier mal ein, ihr Lieben,

        auch wenn ich durchaus männliche und weibliche Darstellungsformen und /oder Sichtweisen anerkenne, muss ich in diesem Fall sagen, dass mir die Radierungen zu unruhig sind- Eis, egal unter welcher Spannung es auch stehen mag, kommt erst einmal klar, hart, ja fest streng in seinen Strukturen daher, oft scharfkantig, eckig …
        darüber liegt eine Stille, aber darunter können wir durchaus auch das Knirschen hören, wenn die Temperaturen ansteigen … oder der Eisbrecher bahnt (wir leben ja schließlich im 21. Jahrhundert- lach)

        ich sehe auf deinen Radierungen, liebe Susanne, eher den Übergang vom Aggregat zum Flüssigen oder umgekehrt … und die Stille kann ich nicht hören …

        so, und nu lese ich mal die anderen Kommentare – ist doch spannend, oderrr?!
        liebe Grüße
        Ulli

        1. Liebe Ulli,

          wenn ich auf einen zugefrorenen See stehe, dann ist das nie glatt und ruhig. Da sind die Zweige und Äste, die eingeroren sind, Bruchstellen, die wie auch immer entstehen usw.

          Ein “White Cube” ist für mich eine ruhige weiße Fläche, weil künstlich geschaffen. Glatt und ohne Kanten von den Menschen konstruiert.

          Das ist eine interessante und spannende Auseinandersetzung.

          Einen schönen Tag wünscht dir Susanne

      2. Hi, Ihr Lieben,
        wenn man auf dem Eis steht oder nahe der Gletscherzunge hört man ständig ein leichtes Knistern durch den freiwerdenden Sauerstoff der eingefrorenen Wassertröpfchen, aber man muss ganz ruhig sein, denn das ist nur ein feiner Ton.
        Man kann das Eis der Arktis nicht mit den Ice Cube aus dem Kühlschrank vergleichen. Einmal haben wir es mit völlig anderen Größenverhältnissen zu tun, was den Eindruck mächtig verändert, zum anderen auch mit einem anderen Eis, einem älteren Eis, das durch einige Metamorphosen gegangen ist. Das meiste arktische Eis (bis auf das ganz alte) besitzt z.B. nicht diese Durchsichtigkeit. Wie gesagt, befinden sich in der Eismasse Spannungslinien, die ich aber nicht sehe, es sei denn die Spannung verstärkt sich und es bilden sich Spalten und Verwerfungen. Ihr müsst einfach sehen, wenn ich bei minus 30 oder 40 Grad auf dem Eis oder Eisbrecher stehe, ist alles erstarrt. Das ist schon physikalisch so, die Bewegungen in der Molekularstruktur sind gering. Das gibt es auch kein Wasser, das fließt und der Fluß der Gletscher ist zu langsam,um mit dem menschl. Auge gesehen zu werden.
        Wir können nicht unser Projekt mit der abstrakten Malerei vergleichen. Was wir machen ist Programmkunst, Illustration – und gerade hier ist die Frage drängend, wie das Verhältnis von realistischer Abb., die wahrscheinlich der Rezipient erwartet, und künstlerischer Freiheit ist.
        Auf jeden Fall, wird durch dieses Projekt bei mir das Interesse geweckt, über die Randgebiete von Doku und Kunst nachzudenken.
        Ganz liebe Grüße an euch. Ich muss mich sputen, da wir erst mit Freunden bei uns in die Sauna gehen und danach ein feines Dinner zusammen haben. Ich höre Dina, Siri und Selma schon mit Geschirr und den Tellern klappern.
        Ich wünsche Euch einen erquickenden Abend
        Klausbernd
        Dina, Siri & Selma lassen auch liebst grüßen 🙂 🙂 🙂

      3. ich glaube auch, dass es einen Unterschied zwischen ice-cubes und zugefrorenen Seen und der Arktis gibt, ich habe die Bilder von Roswitha noch vor Augen und der wunderbare Fotoband über die Shakletonexpidition liegt oben bei mir auf dem Tisch … ich bleibe somit dabei, dass mir auf deinen Darstellungen, liebe Susanne, das Arktiseis zu unruhig ist, obwohl ich eine Frau bin – lach …

        ich wünsche dir einen herrlichen Abend und dir Klausbernd und deinen Damen natürlich auch … ach so, ja klar Klausbernd, es geht natürlich darum was ihr in dem Buch wollt: Kunst oder Doku …

        herzliche Grüße
        Ulli, die jetzt gleich in die Abendsonne geht und ein Feuerchen entfachen wird … auch schön

      4. Lieber Klausbernd und liebe Ulli,

        KEIN Ice Cube aus dem Kühlschrank sondern ein “White Cube” …..

        “Unter White Cube (engl. „weißer Würfel“) versteht man das Ausstellungskonzept, Kunst in weißen Räumen zu präsentieren “.

        Diese Räume meine ich mit künstlich und für mich ohne Linien.
        Ein Eiswürfel aus dem Kühlschrank hat natürlich genauso viele Linien und Luftblasen für mich.

        Ich möchte nicht die Erwartungen der Rezipienten erfüllen!

        Wo bleibt da die Überraschung und die neuen Gedanken?
        Ist nicht ein Sinn der Kunst, zum Denken anzuregen?
        Und denken wir in dieser Diskussion nicht gerade über unsere unterschiedlichen Auffassungen vom Eis der Arktis nach?

        Einen schönen Abend wünscht Susanne

  2. Ich finde das sehr interessant. Auch wenn ich digital fotografiere, so mag ich doch gerade die alten analogen Techniken und beneide die Menschen, die das alles noch im täglichen Leben nutzen können. Ich vermisse mein altes Fotolabor auch, aber es ging einfach nicht mehr, aus Platzgründen…
    Das Referat am Donnerstag ist jenes, das Du am Sonntag auf Balokonien geschrieben hast, nehme ich an? Ich drücke Dir die Daumen!
    Liebe Grüße
    Jürgen

    1. Guten Morgen, Jürgen,
      genau, dieses Referat ist es. Es liegt neben mir auf dem Memory Stik im Powerpoint Format. Ich kombiniere also eine alte Druck- mit neuster Präsentationstechnik. Schön ist das!
      Alte Technicken haben viel Atmosphäre und obwohl wir immer alles zu kontrolieren versuchen, ist es doch so, dass der Zufall bei den alten Techniken oft größer vorhanden ist als bei den Neuen.
      Einen schönen Tag wünsche ich dir, LG von Susanne

      1. Ich wünsche Dir auch einen schönen Tag!
        Und ja, genau das ist es, was mir an der alten analogen Welt so gefällt – es ist nicht ALLES maschinell kontrollierbar. Der Mensch mit seinen Fähigkeiten, Kenntnissen und Erfahrungen stand im Mittelpunkt und nicht die Technik… Hast Du gut auf den Punkt gebracht!
        Liebe Grüße
        Jürgen

    1. Fein dass ich dich hier kennenlerne. Ich bin auch ein Fan der Arktis, nahm an mehreren Expeditionen in die Hoch-Arktis teil und las schon als Kind polare Explorer-Literatur.
      Ich suche dich mal gleich digital heim.
      Bis dann
      Klausbernd 🙂

    2. Das freut mich, Ernestus. Da hast du in Klausbernd einen guten Gesprächspartner gefunden… ich wünsche euch beiden viel Spaß beim gedankelichen Austausch!
      LG Susanne

  3. Hola Susanne,

    also als erstes noch ein Kompliment obendrauf: Ganz wunderbare Radierungen! Und mehr Energie drin, als ich hineinlegen würde, aber dafür sind wir ja auch Künstler und nicht ‘nur’ Handwerker.

    Mir persönlich ist die naturalistische Abbildung ja auch nicht sooo wichtig, wichtig ist, dass Deine Empfindungen zum Thema Eis gut rüberkommen. Kunst ist ja auch eine Möglichkeit nicht verbalisierte innere Vorgänge darzustellen.

    1. Hallo Frauke,

      danke für dein Lob! Auch mir ist das naturalistische nicht wichtig. Ich denke auch, die Idee und das Herz sind die Hauptsache des Werkes.

      Ein schönes Wochenende wünscht dir Susanne

    1. Danke, Ernst, ich war auch noch nie in der Arktis aber ich finde die Erforschung durch Klausbernds Blog, dem Internet, Bücher und Filme der Arktis klasse. Grüße von Susanne

Kommentar verfassen