Das offene Kunstwerk und fünf Iris – Teil 2 – Zeichnungen von Susanne Haun

Bei jeder Rezeption eines Kunstwerks ist immer ein subjektiver Anteil im Spiel.

Seit dem modernen (bedeutungsoffenen) Kunstwerk existiert eine Freiheit in der Interpretation. Es geht nicht um die Anzahl der möglichen Interpretationen sondern es geht um die qualitative Interpretation, die ein ganzes Weltbild sein kann.

Irisknospen 48 x 40 cm (c) Zeichnung von Susanne Haun
Irisknospen 48 x 40 cm (c) Zeichnung von Susanne Haun

Im Barock beginnt der Mensch sich in der Kunst dem Kanonischen (kirchlichen Bedeutung/ bestimmte ikonologische Vorgaben) zu entziehen. Im 19. Jahrhundert entstand der Symbolismus, in der Literatur sollte jedes einzelne Wort eine „Aura des Unbestimmten“³ enthalten. Als Beispiel kann hier Kafka und Joyce genannt werden.

Moderne Kunst hat laut Eco eines gemeinsam, sie soll einen endlichen Kosmos so vorstellen, dass er in seinen Deutungsmöglichkeiten unbegrenzt ist. Es gibt jedoch auch „Werke in Bewegung“³ die keine verschiedenen Interpretationen benötigen, um immer neue Ansichten zu generieren, z. B. Alexander Calders „Mobiles“.

Irisknospen 48 x 40 cm (c) Zeichnung von Susanne Haun
Irisknospen 48 x 40 cm (c) Zeichnung von Susanne Haun

Laut Adorno ist das moderne Kunstwerk von seinem „Rätselcharakter“ bestimmt. „Kunstwerke sind Dinge, schreibt Adorno, „von den wir nicht wissen, was sie sind“.“²

Auch wenn der Rahmen zwischen Kunst und Nichtkunst oft Gegenstand der Auseinandersetzung zwischen Künstler und Betrachter ist, bewegt sich der Betrachter/Interpret in einem vom Künstler gewollten Interpretationsspielraum.

Wichtig ist, dass der Betrachter sich auf die Kunst einlässt, sich mit ihr vertraut macht, dann fördert die Fremdheit der Kunst eine intime Auseinandersetzung mit ihr.

Entgegen diesen Ausführungen betrachten moderne Ästhetiken das „Kunstwerk als Träger von Wahrheit“.² Um hierzu klare Gedanken fassen zu können, müssen wir uns mit der Ästhetik (der sinnlichen Wahrnehmung) von Kunst und Kunsttheorien beschäftigen. An der Uni wird dazu mehr als ein Seminar angeboten.

Irisknospen 48 x 40 cm (c) Zeichnung von Susanne Haun
Irisknospen 48 x 40 cm (c) Zeichnung von Susanne Haun

Nachdem ich gestern die Iris klar erkennbar in vielen Einzelheiten gezeichnet habe, habe ich von meinem Wissen um die Iris profitiert und mit weichen, reinen Pastellfarben in Ultramarin, Grün und Ocker in der Größe 48 x 40 cm Irisknospen gezeichnet. Ich habe die Pastellpigmente nicht mit Fixierspray gebunden, teilweise liegen sie noch krümmlig auf dem Papier.

Sind diese Bilder offenen dem Betrachter gegenüber?

Welche Interpretationsmöglichkeiten erhält der Betrachter aus dieser Serie und wie kann er sie mit einem Weltbild zusammenbringen?

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Quelle: ²Rebentisch, Juliane. Theorien der Gegenwartskunst, Hamburg 2013.
³Eco, Umberto. “Die Poetik des offenen Kunstwerks”, Berlin 1977.

2 comments

  1. Wenn ich die 6 Zeichnungen betrachte, dann sehe ich, dass hier etwas sich entwickelt und wächst und an Farbe gewinnt, ich kann mir schon vorstellen, wie die Knospen aufbrechen und volle Blüten sich öffnen. Die Iris stellvertretend für die Natur und auch für den Menschen. Auch bei Menschen kann ich beobachten, wie sie wachsen wenn sie sich entwickeln, wie sie an Ausstrahlung gewinnen und auch mich erfreuen, wie Blumen.

    1. Danke für deine Ausführungen, Helga!
      Ich habe sie auch als Menshcen gesehen, nicht nur als Menschen, die sich entwickeln sondern auch als Menschen, die in einer Beziehung stehen. Ich mag die Menschen auch, zum größten Teil. Aber ich denke, ich bin auch noch nie richtig bösen Menschen ausgesetzt gewesen.
      Einen schönen Sonntag wünscht dir Susanne

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