Letzte Woche trudelte Jürgens Foto bei mir ein. Boa — dachte ich — das wird schwierig. Aber nachdem ich Samstag zwei Beanbags nähte und die Garnreste sah, war mir klar, wie ich Jürgens Foto bearbeiten werde.
Zuerst fungierte das Foto als Maske, dazu schnitt ich den schreienden Mund auf. Danach benutze ich die Schnitte, die ich auch an den Ohren zufügte für die Garnreste. Die Garnreste sind mir die Linien, die ich auf das dunkle Foto nicht zeichnen kann.
Aus den Resten, die Jürgen mir schon vor ewigen Zeiten gesendet hatte, schnitt ich die Teile heraus, die ich als Collagen Elemente für das Foto benötigte – die Vorderseite reichte mir dabei nicht und ich nahm mich auch der Rückseite an.
Ich dachte, das Papier wäre dick genug die Marker, die ich nun für die Rückseite verwendete, auszuhalten. Da irrte ich mich und die Linien schlugen auf die Vorderseite durch. Interessant, besonders, wenn das Foto gegen das Fenster gehalten fotografiert wird. Vorder- und Rückseite vermischen sich.
Ich habe nun alle Portraits bearbeitet, die ich hier hatte und werde nun im laufe der Woche jeweils eine Arbeit für Jürgen und Heike erstellen und dann alles (fertige – angefangene – neue) auf die Reise senden.
Ich zeige euch heute nun endlich die schon lange angekündigte Übersicht unseres Porträt Übermalungsprojekts.
Heike, Jürgen und ich waren sehr fleißig. Ich habe unsere Arbeit in einem pdf gegenübergestellt. Das pdf in reduzierter Größe könnt ihr hier herunterladen: Stand der Dinge Übermalungen (c) Haun, Küster, Schnittker – Klick
Jürgen und Heike, was meint ihr? Sollten wir unsere Arbeit am Ende des Projekts als Künstlerbuch veröffentlichen?
Von issuu möchte ich jedoch Abstand nehmen, ich habe den Eindruck, dass es da nicht so wirklich gewürdigt wird. Ich erkundige mich mal, was der Druck in einer der vielen Onlinedruckerein kosten würde. Vielleicht ist das preiswerter als eine Ausstellung (mit den damit verbundenen Reisekosten) ? Was meint ihr dazu?
UPDATE: Bei Druckdiscount24 würden 16 Seiten bei 500 Exemplaren knapp 350 Euro kosten. Was sollen wir mit 500 Exemplaren? Ich bin weiter dran, ich denke, eine Auflage von 90 Stück (für jeden 30) wäre ja auch erstrebenswert. Vielleicht mit ISBN? Vielleicht können wir ja auch Marlene Obermayer vom Blog “Das Kunstbuch” (siehe hier) ansprechen. Vielleicht hat sie eine Idee.
Da hast du ja eine tolle Arbeit gemacht, Susanne! Ob mir das Projekt, das du nun in der Übersicht zeigst, gefällt? Jein. Einerseits finde ich es wirklich enorm kreativ und auch mutig, wie ihr euch darstellt und gegenseitig ans Zeug geht. Einige Übermalungen sind auch sehr intelligent. Andererseits tut es auch weh, wenn zB ein Mensch auf seine Brille reduziert oder ein ausdrucksstarkes Portrait zur Maske wird….
Ich glaube, ich hätte nicht das Zeug für solche Experimente. Ich möchte immer irgendwie Entstellungen heilen und nicht Heiles entstellen.
Es ist mitunter nicht einfach, Gerda, aber es ist enorm interessant und bringt mich weiter. Und es bleibt mir immer das Foto, was ich von meinem Portrait gemacht habe, ehe ich es auf die Reise schickte. Ist es nicht ein wenig wie deine Legearbeiten? Auch von ihnen bleiben dir “nur” die Fotos.
O sicher, auch bei mir bleiben nur die Fotos. Aber es gibt Unterschiede. Ich sehe vor allem zwei: Ihr bearbeitet Selbstportraits – das ist ein sensibles Sujet -, und andere übermalen (zerstören) es, nicht du selbst. Ich sag nicht, dass es nicht spannend ist und dass ihr drei nicht viel daraus lernen könnt.
Meine Bedenken haben wohl damit zu tun, dass ich in meiner therapeutischen Arbeit dazu ermutige, Schutz- und Fremd-Masken abzulegen und das eigene Gesicht zu zeigen. Dafür braucht es Vertrauen, dass das eigene Gesicht so sein darf, wie es ist, und niemand das Recht hat, es dir zu verändern oder gar zu verschandeln.
Und genau das lernt ihr wohl bei dieser Arbeit, lernt es auf der symbolischen Ebene, quasi spielerisch: auszuhalten, was andere mit euch machen. Dafür braucht es ein starkes gesundes Selbstbewusstsein. Das habt ihr wohl, ich wohl auch. Aber dennoch.
Nimm zB dein erstes Selbstportrait, das rotfarbige. Es ist ausdrucksvoll, persönlich, und die schattige Unterlippe zeigt Schmerz an. Was machen die anderen aus diesem Schmerz? Jürgen zerteilt das Blatt quer, durchbohrt senkrecht die verdoppelte Lippe und gleich auch noch die Nase mit einem spitzen stift, gibt den Augen einen leeren Ausdruck und setzt seine Krone wie ein Sieger ins Bild. Heike “repariert”, aber wer ist da nun auf dem Bild? eine geglättete weiße Maske in dunklem Feld. Darunter dein lebendiges Gesicht, unkenntlich.
In Afrika wirst du vielleicht mit der Auffassung vertraut gemacht werden, dass Gesichter “gestohlen” werden können….
Zu viel und zu wenig für einen Kommentar. Du siehst, das Thema beschäftigt mich.
Liebe Gerda,
ja, ein gesundes Selbstbewusstsein sollte man bei diesem Projekt haben.
Du hast übrigens zielsicher das Portrait herausgegriffen, bei dem mich mich die Übermalung tatsächlich sehr schmerzte. Es war auch das erste und ich musste mich an den Gedanken des Abschieds gewöhnen. Aber Gerda, das bin nicht mehr ich nach der Bearbeitung. Wer immer das auch ist aber nicht ich.
Der Gedanke der Maske ist sehr interessant. Auch da habe ich bei mir keine Sorgen. Ich setze keine Masken zum Schutz auf, zum Teil aus anerzogener Naivität, zum Teil aus Lebenserfahrung und zum Teil aufgrund des Austauschs mit meiner Neurologin/Psychologin nach der Gehirnblutung.
Ohne Maske kann ich kommunizieren, wer ich bin und nur dann kann ich Menschen kennenlernen, die mich respektieren und die ich selber auch schätze. Denn Gedankenleser*in kann niemand auf dieser Welt. Was ich nicht kommuniziere, kann auch keiner über mich wissen.
Am schwierigsten war es in Bezug dessen, das Nein-Sagen zu lernen. 🙂 🙂 🙂 Ich bin ehrlich gesagt auch sehr stolz darauf, dass ich das kann. 🙂
Liebe Grüße sendet dir Susanne
Danke für diese schöne Antwort
Gerne, Gerda 🙂 sie kam aus meinem Inneren.
Super!
Thank you 🙂
Tolle Idee! Da gehört aber auch Mut dazu. Einige Arbeiten finde ich sehr gelungen, bei anderen dachte ich: schade, hat mir vorher besser gefallen. Aber ich denke, das gehört dazu, und gerade dafür braucht es den Mut… Wegen Druckkosten: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Online-Druckereien oftmals nicht viel preiswerter sind als die Druckereien vor Ort, nur mit viel weniger Service, Herzblut und direktem Kontakt. Ich würde immer eine Druckerei vor Ort bevorzugen, besonders bei so einem Kunst-Projekt (wenn es die Preise erlauben). Man kann Dinge direkt besprechen, bekommt einen Probedruck usw. Schau doch mal bei dir und lass dir verschiedene Angebote machen. Oder hast du das schon? Ansonsten finde ich als Online-Druckerei http://www.epubli.de nicht schlecht, aber ich weiß nicht, ob die ein Format für euch haben…
Danke für den Hinweis Ann Christina. Ja, ich habe früher auch bei einer Druckerei vor Ort drucken lassen, sie sind jedoch so teuer geworden, dass es sich für mich lohnt, woanders Einladungen drucken zu lassen. Die Einladungen haben ja mitunter wenig Bestand, das ist bei einem Künstlerbuch anders. Vielleicht besuche ich die Druckerei bei mir im Wedding demnächst mal und erkundige mich …..
Liebe Grüße von Susanne
Oder eine außerhalb der Stadt, die sind auch mitunter günstiger… Liebe Grüße!
Das stimmt, mal schauen ….
Euer Projekt finde ich sehr spannend und inspirierend. Es macht richtig Freude die Bilder anzusehen. Ich freue mich auf das Künstlerbuch!!!
Danke, Theresia, ich habe dazu viele Ideen im Kopf und werde Bescheid sagen, wann das Buch erschienen wird.
Hallo Susanne! Mein Internet spinnt, ich melde mich morgen frueh telefonisch, machbar? Liebe Grüße
Ich ruf dich von unterwegs zu Uni an, ok?
Gut!
Sehr faszinierend! Ich bin begeistert, wie Du die Fäden hinzunimmst. Ein Künstlerbuch klingt sehr interessant. Ich wünsche Euch viel Erfolg und beflügelnde Ideen für die Umsetzung, wie auch immer. Viele Grüße, Doreen
Danke, Doreen, wenn wir morgen noch etwas Zeit bei allem haben …. ich habe zu Künstlerbüchern und unserer Installation auch eine Idee….
So, liebe Susanne, jetzt komme ich endlich dazu Dir zu antworten.
Vielen Dank für die Fleißarbeit der Zusammenstellung der gesamten Ergebnisse. Ich werde Dir noch einige ergänzende Bilder zuschicken, die vielleicht noch ihren Platz bei Dir finden.
Beim Durchstöbern der “PDF Datei Sammlung” hatte ich das Gefühl, dass es jetzt besser passt, weil die Entwicklung von Bild zu Bild viel deutlicher wird und das Ganze eine Genese bekommt. Das tut auch den schwachen und den schwer zu akzeptierenden Bildern gut. Jetzt hat jedes seinen Platz, seine Wertigkeit und man sieht das. Es wird zu einem Ganzen. Und so funktioniert es auch. Bei einer Ausstellung der Werke oder einem Künstlerbuch wäre meiner Meinung darauf zu achten, das die jeweiligen drei Bilder stets zusammen gezeigt werden.
Weiter ist mir aufgefallen, was für eine Kraft in manchen Bildern steckt. Und wie ungetüm einerseits wir vorgehen und wie fein anderseits gearbeitet werden kann. Das erzeugt auch Spannung beim Betrachten.
Und zum Mut, der als Thema in den Kommentaren immer wieder auftaucht.: Ich habe Spaß an so was, an dem, was wir da machen und empfinde das nicht als mutig, eher als Form von Freiheit. Wir machen uns doch im Leben so oft zum Affen, das ist das hier doch nichts, ein Klacks.
Liebe Grüße Juergen
ich habe eben bei Susanne kommentiert, vielleicht ist es auch für dich von Interesse, lieber Jürgen. ich stimme dir übrigens zu, dass in manchen Bildern sehr viel Kraft steckt, und auch, dass beim Betrachten der Reihen Spannung erzeugt wird. Wenn das das Ziel ist, ist es gelungen. Was mir nicht so gefällt, ist dies “einen Affen aus sich machen”. Es gibt wohl Künstler, deren Markenzeichen das quasi ist, Dali war, meine ich, der erste. Sie machen damit aber auch den Betrachter, zum Affen, wecken in ihm die niedrigsten Instinkte und Reaktionen. Oder?.
Das wohl weniger, finde ich. Eine spaßige Note in der Kunst finde ich nicht schlecht. Ich vermute eher, dass die Werke an Gewichtigkeit verlieren und deren Wertigkeit leidet. Liebe Grüße
Ich bin die letzte, die den Spaß aus der Kunst verbannen möchte. Spaß muss sein!!
So habe ich es auch verstanden Gerda, aber ich habe auch verstanden, was du sagen wolltest. Ich kenne Jürgen allerdings auch schon seit über 10 Jahren….
Nein, ich denke, es ging Gerda nicht um die spaßige Note sondern es ging ihr um das, was sie dahinter sieht. 🙂
stimmt.
Dali gehört ehrlich gesagt NICHT zu meinen bevorzugten Künstlern, ich mag seine Arbeiten nicht. Das heisst nicht, dass ich sie nicht respektiere.
Picassos Arbeiten dagegen sind sehr ehrlich, manchmal mit einem Hang zum zerstörerischen. Ich mag Picassos Ansichten nicht immer aber ich schätze seine Arbeit sehr und hatte lange Zeit eines der letzten Portraits der schon dekonstruierten Dora Maar als Poster an der Wand zu hängen. Meine Ex-Schwägerin fragte mich mal, wie ich dieses leidgeprüfte Portrait jeden Tag aushalten kann. Ich fühlte damals stark mit Dora Maar und fühlte mich wahrscheinlich ihr verbunden.
Ist es nicht vielleicht mutiger, Portraits von den Menschen deiner Umgebung zu malen? So zu malen, dass sie nicht durch die Abbildung verletzt werden? Da muss ich bei mir selber ja nie Befürchtungen haben… Ich nehme mich, wie ich bin….
Liebe Susanne, ich kann deinen Überlegungen gut folgen. Mir geht es mit Dali so wie dir. Er ist ein großartiger Künstler, aber etwas geht mir gegen den Strich. Ich liebe ihn nicht, denn es kommt mir vor, als bliese er sich auf zum großen Weltenschöpfer und verachte seine Mitwelt aufs Tiefste.
Picasso ist was ganz anderes für mich, und ich finde es interessant, dass du den Begriff “ehrlich” für ihn benutzt. Genau das empfinde ich auch. Bei ihm habe ich es nicht mit Schein, sondern mit Sein zu tun. Er hat dargestellt, “was ist”. Ein geradezu fanatischer Realist, suchte er nie Tröstliches oder Schönes über das zu decken, was er als die Wirklichkeit sah. Er malte Dora Maar in ihrer Verzweiflung, ohne Wenn und Aber. So hat er sichselbst auch angeschaut: sein letztes Selbstportrait zeigt, meine ich, das Grauen, das ihn angesichts des Todes ergriff. sein Blick starrt ins Nichts.
Ich habe früher viele Portraits gemalt und habe es vorgezogen, dafür Modelle zu bezahlen, die nicht drauf aus waren, “schön” oder “ähnlich” dargestellt zu werden. Mich interessierte die “Vergänglichkeit des Fleisches” und was die Zeit und die Leidenschaft mit der Form anrichtet. .
Heute? Nun, ich bin ins Spielerische ausgewichen. In den Humor. In die Andeutung. Daran merke ich, dass ich alt und milde geworden bin.
Ich bedanke mich für diesen Gedankenaustausch, der durch euer Portrait-Projekt in mir angestoßen wurde.
Liebe Gerda,
ich überlege an deinen Worten “Alt und Milde” – ich weiss, du hast schon viele Jahre gelebt, jedoch ohne dass ich dich Alt bezeichnen möchte. Wenn ich an deine Biografie denke, die du mir erzählt hast, dann bist du “öffentlich” weniger kämpferisch aber doch noch sehr bestimmt. Jedes Alter birgt neue körperliche Einschränkungen, denen man sich stellen und anpassen muss. Ich finde, du machst das hervorragend und ich finde auch, dass du körperlich sehr fit bist.
Liebe Grüße von Susanne
danke Susanne. “Älter und milder gestimmt” wäre wohl passender. 😉
😉
Lieber Jürgen,
ja, ich finde die Zusammenstellung auch sehr kraftvoll und bin auch der Meinung, dass auf eine Buchseite immer alle drei Arbeitsstände enthalten sein sollten.
Ich finde nicht, dass wir uns zum Affen machen, sondern intelligent (und auch mutig) mit unserem ICH umgehen. Wir diskutieren in Zeichnungen. Ich bin sehr zufrieden. Somit war für mich die Zusammenstellung eigentlich nicht nur eine Fleißarbeit sondern auch eine klärende Arbeit, die das Projekt weiter nach vorne gebracht hat. Ich bin gespannt auf die ergänzenden Bilder von dir und hoffe, dass ich morgen Nachmittag eure Pakete zur Post bekomme.
Einen schönen Abend und liebe Grüße von Susanne