
Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren
Sind Schlüssel aller Kreaturen
Wenn die, so singen oder küssen,
Mehr als die Tiefgelehrten wissen,
Wenn sich die Welt ins freye Leben
Und in die Welt wird zurück begeben,
Wenn dann sich wieder Licht und Schatten
Zu ächter Klarheit werden gatten,
Und man in Mährchen und Gedichten
Erkennt die wahren Weltgeschichten,
Dann fliegt vor Einem geheimen Wort
Das ganze verkehrte Wesen fort.
Novalis: Schriften (Historisch-kritische Ausgabe), Bd. 1: Das dichterische Werk, herausgegeben von Paul Kluckhohn und Richard H. Samuel. Kohlhammer, Stuttgart, 2., nach den Handschriften ergänzte, erweiterte und verbesserte Aufl. 1960, S. 344.
Novalis spricht in den ersten beiden Zeilen seines Gedichts von der Absage der von der mathematischen Analyse der Welt während laut Dante sich jede Kreatur der Ordnung beugt. 500 Jahre Weltgeschichte liegen zwischen Novalis und Dantes. Geschichten, die die Welt langsam veränderten.
Große Gedanken, die du in eine einfache Bildformel packst.
Ja, aber wohl doch nicht ganz korrekt, wie Martin schreibt.
“…Und man in Mährchen und Gedichten
Erkennt die wahren Weltgeschichten,…”
Sehr schön! Eine Welt, in der Rationalität und Technokratie auf ein nötiges Mindestmaß geschrumpft sind, gleichsam zur Nebensache geworden sind.
Ja, Novalis war schon ein inspirierender Denker!
“…und die Welt fängt an zu singen, triffst du nur das Zauberwort.” Das ist noch mal ein paar Jahre später von Eichendorf.
Ja, das Zauberwort! Es ist gar nicht so einfach es zu suchen und zu finden.
Vorsicht, das ist kein Plädoyer für Anti-Rationalismus, für ein Versinken im Irrationalen. Es geht Novalis nicht darum, hinter die Aufklärung zurück zu fallen, sondern darum, der Welt des Irrationalen wider einen Raum zu gewähren. Licht (=AufKLÄRung) und Schatten (=dunkle, irrationale Welten) sollen sich vereinigen, sie “gatten” und in dem Akt dieser Begattung sollen sie “neue Klarheit” zeugen. – Dialektik.
Danke, Martin, deine kritische Anmerkung hilft mir sehr!