Besondere Orte zu Bestattung unserer Toten – Susanne Haun

 

Der Tod wird in unserem Land aus dem Alltag vorwiegend ausgeklammert und Gespräche über unseren Totenkult sind selten. Es scheint mir wie ein Tabu (neudeutsch No-Go)  über die Dinge, die der Tod eines geliebten Menschen mit sich bringt, zu reden.

 

 Eibenzweig (c) Foto von Susanne Haun
Eibenzweig (c) Foto von Susanne Haun

 

Dabei werden von den Anfängen der Menschheit bis auch heute im Zeitalter des Computers unsere verstorbenen an besondere Orte beerdigt. Seit dem 8. Jahrhandert werden unsere Toden in der Nähe des Altars, in der Kirche oder auf dem angrenzdenden Friedhof beerdigt. Nach der Reformation erfolgte eine Verlegung der Friedhöfe aus hygienischen Gründen vor den Stadtmauern.²

Heute werden städtische Friedhöfe auch als Parks mit Erholungsfunktion gesehen, schreibt Brigitte Kleinod, Diplom-Biologin und Sachbuchautorin, in ihrem Buch Grabgestaltung.² Ob dem Wirklich so ist, wage ich zu bezweifeln. Sicher, es gehen immer ein paar wenige Interessierte über den Friedhöfen spazieren. Aber als Park mit Erholungsfaktor würde ich den Friedhof deshalb nicht begreifen.

Die Wahlgrabstätte meiner Mutter lässt uns einen großen Spielraum in der Gestaltung. Nicht mehr viele Menschen können sich den Luxus einer solchen Grabstätte leisten. Mit Grabstein, Bestattungsunternehmen, Beisetzung und Blumen werden werden wir wohl knapp 10.000 Euro benötigen. Es sind keine Posten dabei, die ich übertrieben teuer finde, jedoch kommen viele einzelne Positionen zusammen. Sicher sind diese hohen Kosten ein Grund, warum viele unserer Friedhöfe wie leergefegt wirken. Selbst auf dem Domfriedhof gibt es viele freie Stellen.

 

Eiben Blüte Zweig (c) Zeichnung von Susanne Haun
Eiben Blüte Zweig (c) Zeichnung von Susanne Haun

 

Wo bleiben unsere Toten? Nimmt sich keiner mehr Zeit für den Totenkult, der Pflege unserer Gräber? Wird diese Aufgabe als Last empfunden, die uns zusätzlich im Alltag belastet? Ich bin traurig, diese Fragen überhaupt zu stellen, denn was hat eine Gesellschaft für eine Zukunft, wenn sie respektlos mit den Toten umgeht? Habt ihr euch dazu einmal Gedanken gemacht?

Die Wahl des Friedhofs hat Mama neben anderen Kriterien auch nach dem Aspekt der Erreichbarkeit getroffen. Ich laufe 15 Minuten zum Friedhof, meine Nichte wohnt zwei Straßen weiter und mein Bruder und meine Schwägerin sind mit dem Auto in 5 Minuten von der Arbeit da.  Mein Papa hat es am längsten, aber einer (oder wir alle) finden uns immer, ihn zum Friedhof zu fahren.

Letzte Woche haben wir um unsere Grabschale Eibenzweige aus dem Garten meiner Eltern platziert und die Blumenvase mit Rosen und Gerbera befüllt.

 

 

 

 

 

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² Kleinod, Brigitte, Grabgestaltung, Stuttgart 2008.

31 comments

  1. Guten Nachmittag liebe Susanne,
    ich befinde mich gerade in Norwegen. Ageregt durch deinen Bericht werde ich morgen, ein paar Tage früher als geplant, das Grab meines Vaters besuchen. Klausbernd, Siri, Selma und ich werden zwei wunderschöne und sehr unterschiedliche Friedhöfe nächsten Monat in D besuchen. Der Alte Friedhof in Bonn gehört zu den schönsten in ganz Deutschland und die Gärten der Bestattung von Pütz Roth in Bergisch Gladbach sind ebenfalls etwas ganz besonderes. Dort ist Klausbernds Mutter beerdigt.
    Liebe Grüße aus Fredrikstad,
    Hanne

    1. Auch dir einen guten Nachmittag, liebe Hanne,
      ersteinmal danke für das schöne Foto von den Fasanen, das du mir per Mail gesendet hast. Im Moment habe ich noch viel um die Ohren, es ist unmenschlich, wieviele Formulare ich gerade aufgrund des Todes meiner Mama ausfüllen muss. Ich war bei meinem Besuch damals auf dem Kölner Melaten Friedhof. Den Bonner Friedhof werde ich mir vormerken. Schön, dass ihr Klausbernds Mutter besucht, ich weiss, es ist eine abstrakte Vorstellung. 🙂
      Ich wünsche dir noch einen schönen Aufenthalt in Norwegen,
      viele liebe Grüße an euch alle vier,
      Susanne

  2. Liebe Susanne,
    ich beschäftige mich auch mit Bestattungen und den Veränderungen auf den Friedhöfen in meinem Umfeld. Meiner Mutter fiel als weibliches Mitglied ihrer Familie die Aufgabe zu, die Gräber, die zu dem Bauernhof gehörten, zu pflegen. In meiner Kindheit waren es 18 Gräber auf einem Friedhof (Kindergräber, verstorbene Flüchtlinge, Tanten, Onkel, Arbeiter auf dem Hof). Ich hatte immer das Gefühl, meine Mutter ist auf dem Friedhof zu hause. Das war ihr Element. Ich mag die Friedhöfe der heutigen Zeit mit grünen Rasen, Erinnerungsplätzen. Freiraum.
    Ich würde gerne sehen, wie ihr die Grabstelle deiner weiterentwickelt.
    Liebe Grüsse – Uta

    1. Liebe Uta,
      danke für diesen sehr interessanten Kommentar. Mir war nicht klar, dass zu einem Bauernhof ein Friedhof gehören kann, aber es erscheint mir sehr einleuchtend. 18 Gräber sind sehr viel. Was bewirkt es, seine Toden dicht bei sich zu haben?
      Ich zeige gerne weiter, wie sich Mamas Grabstelle entwickelt. Wir diskutieren ja noch aber da mich Mamas Grab sehr beschäftigt, wird es auch immer wieder in meiner Kunst und hier auf dem Blog auftauchen.
      Liebe Grüße und einen schönen Samstag von Susanne

      1. Liebe Susanne,
        die Aussage bezog sich auf Gräber auf einem Gemeindefriedhof. Daneben gab es weitere Gräber auf anderen Friedhöfen zu versorgen. Es gibt aber private Grablegen an Gutshöfen. So ein Patronatsdenken, daß man über den Tod hinaus für Menschen, die zum Hof gehörten, zu sorgen hat, drückte sich bei meiner Mutter aus. Ich kannte die Verstorbenen nur aus endlosen Erzählungen und habe die Zeit herbei gesehnt, den Friedhof wieder verlassen zu können. In warmen Sommern waren alle 2-3 Tage Gieß- und Harkaktionen von über einer Stunde Dauer angesagt.
        Ich hab es lieber überschaubarer und persönlicher.
        Liebe Grüsse – Uta

        1. Liebe Uta,
          das kann ich verstehen. Bei 18 Gräbern ist das eine Menge Arbeit.
          Wir werden für den Sommer auf jeden Fall einen Gießdienst beauftragen, da wir jetzt schon wissen, dass wir es nicht schaffen, täglich dort zu sein. Das ist natürlich Luxus, denn so können wir hingehen, wenn wir den Drang dazu verspüren oder etwas pflanzen.
          Liebe Grüße sendet dir Susanne

  3. Ich denke der Ort der letzten Ruhe kann sehr verschieden sein & spiegelt auch den Geist des Verstorbenen wieder. Ungeachtet dessen sollten wir diese Orte pflegen und erhalten & sie als Besinnungsstätten achten.
    Die Tod sollte aus der Tabuzone entfesselt werden & und ein natürlicher Umgang damit gelernt werden.
    Doch hierbei sind wir noch weit entfernt.
    Obwohl Leben & Tod so eng zusammen liegen.

    Dir gutes.

    1. Ich stelle immer wieder fest, L., je näher sich das Leben der Menschen diesem Ort nähert, desto größer versuchen sie Distanz zu schaffen. Menschlich? Sicher! Ja, das Leben beinhaltet auch immer Tod.
      Dir auch Gutes und einen schönen Samstag Nachmittag von Susanne

  4. Beim Asyl-Café dieser Tage kam das Gespräch auf Halloween bzw. Allerheiligen. Gefragt nach dem Totengedenken, erzählten die arabischen, muslimischen Gäste, dass ihre hohen Feiertage wie das Zuckerfest und das Opferfest mit einem Friedhofsbesuch am Vortag oder am frühen Morgen verbunden werden.

  5. Liebe Susanne, du hast recht, es ist und bleibt immer noch schwierig offen über den Tod, die Gefühle dahinter und auch als Hinterbliebene auszusprechen und ein Miteinander zu bewirken, oft herrscht betretenes Schweigen, und doch nehme ich eine Wandlung wahr. Es wird häufiger zum Thema und das nimmt mit der Zeit auch die Scheu das Eigene zu formulieren.
    Ich habe schon oft über die Gräberkultur nachgedacht, moderne Friedhöfe gleichen oft flachgelegten Hochhäusern, wenn du weisst was ich meine. Ein mehr oder weniger nacktes Rechteck neben dem anderen. So ganz anders sind die “gewachsenen” Friedhöfe.
    Wie schon geschrieben, ich mag es sehr, wie du und deine Familie miteinander trauert.
    Ich habe heute Abend draussen eine Friedhofskerze für meine Mutter angemacht, sie hätte heute Geburtstag und wäre dann 93 Jahre alt geworden …. für mich gibt es keine Grabstätte, die ich besuchen könnte und so musste ich mir eigene Rituale ausdenken, um ihrer zu gedenken, was anfangs nicht einfach war.

    herzliche Abendgrüsse an dich
    Ulli

    1. Liebe Ulli,
      mein Vater und ich weinen zur Zeit noch sehr viel miteinander. Wenn mein Bruder dazu kommt, dann ist er auch dabei. Weinen befreit! Du hast Recht mit der Bezeichnung der flachgelegten Hochhäuser. Aber ich denke tatsächlich, dass es an den hohen Kosten für Gräber liegt, dass viele die doch preisgünstigeren Reihengräber vorziehen. Wir haben ein individuelles Luxusgrab und das ist uns bewusst. Wenn wir über Friedhöfe spazieren, dann sind es doch meistens die “gehobenen Friedhöfe”. Der Weddinger Friedhof am Krematorium wurde Armenfriedhof genannt. Aber selbst der hat natürlich Atmosphäre, die Gräber sind jedoch sehr klein. Ich schaue mal, dass ich in nächster Zeit Fotos mache und im Blog zeige.
      So wie dir geht es auch meinem Vater mit seiner Mutter, sie ist zusammen mit Papas Schwester bei Halbe gefallen, nur mein Vater überlebte von der Familie das Masaker. Ich weiss nicht, über wieviele Berliner Friedhöfe er gewandert ist und seine Mutter suchte. Ich werde ihn fragen, welche Rituale er in Gedenken an seine Mutter hatte. Wie ist deine Mutter bestattet worden? 93 Jahre ist ein schönes Alter.
      Liebe Grüße sendest dir Susanne

      1. Liebe Susanne,
        ja ich glaube auch, dass es an den Bestattungskosten liegt, dass viele eben so schlicht wie möglich wählen. Ich mag ja die Waldfriedhöfe sehr und überlege mir dort ein Grab zu “leisten”- auch habe ich eine Sterbeversicherung abgeschlossen, damit meine Kinder nicht auf den Kosten hocken.
        Meine Mutter wollte ein anonymes Grab, ich rief in Hagen auf dem Friedhof an und sie versprachen mir mich rechtzeitig zu informieren, wenn sie eingeäschert und bestattet wird, das haben sie aber dann vergessen. Du kannst dir sicherlich mein Entsetzen darüber vorstellen, der Herr am telefon war wenig mitfühlend, kann ja mal passieren. Als ich ihn fragte wie ich den jetzt die Grabstätte meiner Mutter finden könnte, sagte er, gar nicht, weil es eben nur ein Stück Rasen wäre, wo die Anonymen lägen … Es war ein langer Prozess, bis ich es akzeptieren konnte … und nun zünde ich immer an ihrem Geburtstag und an ihrem Sterbetag eine Kerze im Garten an, dekoriere ein bisschen und denke an sie. Wir hatten ein sehr schwieriges Verhältnis, mit dem ich mittlerweile meinen Frieden gefunden habe und sie als die ehren kann, die sie eben auch war.
        herzliche Grüsse
        Ulli

        1. Liebe Ulli,
          das ist wirklich traurig. Ich wusste nicht, dass zum anonymen Grab auch eine anonyme Beerdigung gehört. Ich glaube, dass du entsetzt warst, um so schöner ist es, dass du jetzt deinen Frieden mit der Situation gefunden hast.
          Ich habe noch eine ganz alte Lebensversicherung, ein Teil des Geldes werde ich davon für meine Beerdigung zurücklegen, das habe ich zum Teil auch schon mit meinem Sohn besprochen, damit er weiss, was ich möchte. Ich habe ja zum Glück ein sehr gutes Verhältnis zu meinem Sohn.
          Ich wünsche dir einen schönen Montag, liebe Grüße von Susanne

  6. Liebe Susanne!
    Tja, mit den Friedhöfen als besonderen Orten und dem Totenkult, das ist so etwas. Es gibt niemanden, der nicht irgendwann damit zu tun hat, mal mehr oder weniger intensiv.
    Seit ich mich erinnern kann, spielte der Friedhof und das Grab immer eine besondere Rolle: sonntägliche Spaziergänge auf den Friedhof, das Muss der Grabpflege, das Klagen über die hohen Kosten, das Frohsein über die Möglichkeit diesen Ort besuchen zu können, das Schimpfen über die ungepflegten Grabstätten in der Nähe und so weiter.
    Für mich war der Friedhof immer der Ort zwischen heute und morgen, zwischen Leben und Tod, eine Schnittstelle, faszinierend . Als junger Bursche, als ich mit der Fotografie begann, habe ich daher Friedhöfe immer gern besucht und die morbide Atmosphäre wirken lassen. Das war eine ästhetische Angelegenheit.
    Heute besuche ich schon lange keine Friedhöfe mehr, da sie mich so runterziehen und ich in den letzten Jahren bei so vielen Beerdigungen den Toten die letzte Ehre erwiesen habe. Ich benötige sie auch nicht, um mich an die zu erinnern, die mir so lieb waren und die nun tot sind. Da pflege ich – ähnlich wie Ulli – meine eigenen Rituale der Erinnerung. Ich weiß aber, dass es viele Menschen gibt, die den Friedhof und die Grabstelle als Bezugspunkt benötigen und froh sind, dass sie diese Stelle besuchen können.
    Dein Beitrag ist vielleicht ein Anstoß, um mal wieder einen Friedhof zu besuchen.
    Liebe Grüße Juergen

    1. Lieber Jürgen,
      ich habe schon geschmunzelt, wie treffend du die besondere Rolle des Friedhofs beschreibst. Es ist eine schöne Vorstellung, dass der Friedhof ein Ort zwischen heute und morgen ist. Nein, ich benötige den Friedhof auch nicht, um mich der Toten zu erinnern, oft sind es ganz andere Kleinigkeiten, die Erinnerungen hervorholen und einen mit voller Wucht treffen. Ich spreche gedanklich auch so mit Mama, aber ich habe das Gefühl, auf dem Friedhof eine Stelle zu haben, wo sie konzentrierter ist. Ohne diese Stelle scheint Mama trotz unserer familiären Erinnerungen für die Welt zu entschwinden.
      Es freut mich, dass mein Beitrag so viel bewirkt.
      Liebe Grüße von Susanne

  7. Ich bin ständig bei diesem Thema, komme aber auch selten zu den Gräbern unserer Familie, die es zu pflegen gäbe, und kanns mir auch nicht leisten da meine Ideen umzusetzen. Deswegen Schmalspurpflege. Im Ausgleich gehe ich hier dauernd auf den Friedhof – fotografiere da auch viel, und habe auch schon mal eine Amsel in ihren letzten Minuten begleitet. Wenns arg heißt ist gieße ich Gräber die es nötig haben, bringe Nüsse für die Eichhörnchen mit und fülle immer eine Schale für die Vögel… eine Zeitlang hab ich auch Blümchen gepflanzt, Samen gesät, auf verwahrlosten Stellen. Aber manche haben dann Anfang Winter den Rappel gekriegt und alles rausgerissen und so ein gesteck aufgelegt, naja… ich liebe vorallem die alten Bäume auf dem Friedhof und die Tiere. kenne da noch ein paar Schmetterlinge..aber manchmal ist es mir einfach zuviel Friedhof… also mit Erholungsfläche dem kann ich auch nicht zu 100 % zustimmen, das ist ja meistens nur so wenn eben nix anderes da ist. Wobei wir sehr viele schöne Friefhöfe hier haben.

    1. Ich finde es sehr schön, wie du mit dem Thema Friedhof umgehst und wie du dich dort betätigst. Ja, der Friedhof hat schon eine besondere Atmosphäre. Das “zuviel Friedhof” verstehe ich auch, madameflamusse, alles sollte ausgewogen sein.
      Gibt es bei euch auf dem Friedhof eine Gärtnerei? Ich habe noch nie soviele Gärtner für die Gemeinflächen eines Friedhofs gesehen wie auf dem Domfriedhof. Ständig wird geharkt und gepflanzt. Vielleicht war es auch das, was meiner Mama gefallen hat.
      Liebe Grüße von Susanne

      1. Bei uns scheint da das Personal sehr knapp, ganz selten sind da mal welche zu sehen, meiner hier vorm Fenster ist auch klein und absichtlich teilweise recht verwildert. Ich wollte gern mal Gärtnerin werden und hab da auch mal Gärtnerinnen gefragt die ich auf einem großen Friedhof sah wo es viele Gemeinschaftsgräber gibt. Und Sie meinte um da ranzukommen braucht es Vitamin B.
        An bestimmten Tagen werden am Einganz Erika oder Grabgestecke verkauft. Und bei den größeren Friedhöfen ist meistens gegenüber ein Geschäft.
        Ja, ich mag den hier schon sehr gern, und naja das ich irgendwie immer Themen mit dem Tod hab, macht man sich da so seine Gedanken. Grad war ich wieder drüben, und die vielen Bäume riechen ganz wundervoll. Dadurch das so einiges bisschen verwildert ist findet man auch das eine oder andere besondere Pflänzchen. Das ist schon sehr schön. 🙂 ja vielleicht mochte deine Mama das oder eben wirklich die Nähe…das find ich schon sehr schön, ich würde gern näher an den Familiengräbern sein. Lg Susanne, die Eibe ist mir dieses Jahr übrigens auch schon besonders aufgefallen, die Beeren sind so bezaubernd.

        1. Guten Morgen, Susanne, so traurig wie es ist, der Staat/Kirche muss sparen, so auch an den Friedhofgärtnern. Ich werde jetzt Bilder rahmen und danach zum Friedhof gehen. Auch meine Oma liegt auf dem Domfriedhof und ich wollte ein Grabgesteck auf ihrem Grab legen.
          Ich wünsche dir einen schönen Tag, lg Susanne

  8. Das Grab meiner Mutter habe ich nach ihrem Tod nicht mehr besucht. Meine Erinnerung an sie sollte nichts irdisches haben. Zu diesem Irdischen gehören nun einmal Gräber für mich. Mit Gräbern ehren wir nur unseren Todeskult, weniger die Toten selbst. Ein freies Leben zu führen, um dann im Tod in einem Gefängnis zu liegen, ist meine Sache nicht. Die Toten frei lassen, diese Idee finde ich angemessener.

    1. Lieber Achim,
      das hat mir auch schon Klausbernd geschrieben als wir über das Trauerjahr diskutierte. Klausbernd meinte, das Trauerjahr wäre überflüssig und man sollte die Toten freilassen. Ich habe mit dem Begriff Freilassen im Zusammenhang mit Toten meine Schwierigkeiten. Meine Mutter hat den Friedhof und die Modalitäten ihrer Beerdigung selbst gewählt und uns mitgeteilt. Es ist ihr sogenannter letzter Wunsch, dort zu liegen. Später (ich hoffe viel später) möchte mein Vater neben ihr begraben werden. Meine Mutter glaubte daran, dass ihre Seele unsterblich sei und mitnichten in dem Kasten bleibt, der dort begraben ist. Ihr Grab ist ein Ort der Zusammenkunft unserer Familie, unser Ausdruck von Zusammengehörigkeit und Respekt und Liebe, die wir unserer Mutter gegenüber haben. Sicher, das könnten wir auch im Wohnzimmer oder in der Bar um die Ecke haben. Aber meine Mama hat sich den Friedhof und nicht die Bar um die Ecke dafür ausgesucht. Ja, es ist ein Totenkult, aber gehört das nicht wie Geburtstag feiern, verreisen und Wissen ansammeln zu unserem Leben dazu?
      Hier noch meine Antwort an Klausbernd zum Thema Loslassen unserer Toten (mit abschliessender Frage an dich, Achim):
      Das Trauerjahr erscheint mir deshalb sinnvoll, weil in einem Jahr alle Feiertage und Geburtstage usw. einmal ohne die geliebte Person stattgefunden haben. Das Grab ist dann eingerichtet und der meiste Schriftkram erledigt. Das Vermissen wird immer bleiben.
      Loslassen ist in diesem Zusammenhang für mich nicht das richtige Wort. Loslassen muss man eine vergangene Liebe oder in einer Beziehung, um dem anderen Freiheit zu geben.
      Warum aber sollte ich die Erinnerung an meine Mutter loslassen?
      Sie hat mir nicht nur das Leben sondern auch viel Liebe und Verständnis geschenkt. Trauer um das Verlorene braucht Zeit, die ich mir gerne nehme. Deshalb bin ich nicht bewegungslos, das Leben geht weiter, aber die Trauer ist Bestandteil vom Leben. Nichts ist für mich schlimmer als diesen Aspekt zu verdrängen.
      Wir sind ein starker gut funktionierender Familienverbund. Ich bemerke solch einen Zusammenhalt nur selten in meinem Umkreis aber hier und da kommt er vor.
      Jetzt meine Frage an dich, Achim:
      Du bist ein großer Fan von Sylvia Plath. Sie ist tod. Du schreibst viele Beiträge über sie, liest ihre Bücher usw. Ist das Loslassen? Was verstehst du unter Loslassen von Toten?
      Einen schönen Nachmittag von Susanne

  9. Ich möchte die Toten wie “gerade” nicht Anwesende behandelt wissen. Ihrer gedenken, ohne religiös eingefärbtes Gedenken. An sie denken, als wären sie neben mir, fast körperlich spürbar. Sie wirken ja nach und diesen Umstand halte ich für wichtiger als alles, was sich am Ritual zwanghafter Erinnerung, Dankesrede, Totenmesse, Begräbniss und Leichenschmaus orientiert. Wenn ich sage, ich möchte die Toten freilassen, so sage ich, dass sie frei sind. Frei, weiter auf mich und alle, die ihn lieben, zu wirken. So als wäre er noch in der unmittelbaren Zeitgenossenschaft der Hinterbliebenen. Es gibt in New Orleans eine besondere Art des Abschiednehmens (nicht des Loslassens, davon rede ich nicht), einen durch guten Jazz unterlegten Begräbnismarsch, der auch Freude vermittelt, eine ungezwungene Art des Zwiegesprächs mit den Toten. Das Motto dort: “Hatte er nicht ein gutes Leben, und wäre es nicht unrecht, wenn wir nun ein schlechtes Leben führten?” Das ist mir sehr sympathisch. Ich habe etwas gegen die unerbittliche Zäsur, mit der wir unsere Toten zu Grabe tragen und in den Vergangenheitsformen von ihnen reden. Ihnen Denkmäler spendieren (die nach ca. 20 Jahren wieder abgeräumt werden, so weit ich mich erinnere) und Abschiedszeremonien. Ich nehme keinen Abschied, wie könnte ich das, wenn die, die ich liebe, in anderer Form von “Lebendigkeit” auch heute noch mein Leben bereichern. So wie es auch Sylvia Plath tut, mit der ganzen Zerissenheit ihres Charakters und ihres Werks. Von Shakespeare zu reden, als sei er tot, würde ich als Sakrileg empfinden 🙂 So sind meine Gedanken bei meiner Mutter und ich weiß, dass sie an mich denkt.
    Ich wollte keineswegs deiner und eurer Weise, der toten Mutter zu gedenken, ihren liebenden und trauernden Wert absprechen, liebe Susanne. Das hat mein erster Kommentar nicht beabsichtigt.

    Liebe Grüße aus Freiburg

    Achim

    1. Lieber Achim,
      ich habe die Woche nachgedacht und es will mir nicht gelingen, die Toten wie “gerade” nicht Anwesende zu behandeln. Ich hatte eine enge Beziehung zu meiner Mutter – wir haben täglich telefoniert und uns mindestens einmal die Woche gesehen. Ungewöhnlich aber nicht so selten wie du vielleicht denkst. Ich habe zumindestens noch drei Freundinnen wo die Beziehung zur Mutter ähnlich ist. Alles selbstbewusste, berufstätige im Leben stehende Frauen mit eigenen Familien. Meine eine Freundin sagte, wenn ihre Mutter sterbe, dann sterbe sie gleich mit. So einfach ist es leider nicht. Die Kunst ist, mit der Erinnerung zu leben, die Weisheit der Mutter nicht zu vergessen und sie an die nächste Generation weiterzugeben, ohne bestimmend dabei zu werden.
      Ich kenne die Tradition des New Orleanser Begräbnismarschs. Die Musik war auch für uns ein wichtiger Faktor bei der Beerdigung. Mama hatte noch einen Wunsch geäußert: das Ave Maria und dann hat sich jeder von uns ein Lied ausgesucht. Papa wollte den Gefangenenchor und das Lied vom Hände reichen und mein Bruder Halelujah. Die Aussegnungshalle des Friedhofs hat eine sehr gute Anlage und besonders das Halelujah von Robin Wainwright hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen https://www.youtube.com/watch?v=PBo-n_17XU0.
      Du kannst das Grab nach 20 Jahren weiter kaufen, bei uns wird es schon deshalb länger laufen, da der Nächste, der aus unerer Familie stirbt neben Mama begraben wird. So denkt sich das mein Bruder. Aber eigentlich gehört die Stelle meinem Papa, der knapp 60 Jahre sein Leben mit Mama verbracht hat.
      Der akute Schmerz wird vielleicht immer geringer, Achim, aber ein kleiner Schmerz wird immer bleiben. Aber so ist ja auch Leben oder definieren wir so nicht Leben? Es ist ein Austausch zwischen Intellekt und Emotion. Ich denke, dass ich es einigermaßen schaffe, beides in ein gutes Gleichgewicht zu halten.
      Zur Überwindung meiner starken Trauer hilft mir mein Studium. Seit zwei Wochen befinden wir uns im Wintersemester 2017 und ich habe wieder sehr interessante Seminare belegt.
      Danke für deinen Kommentar, der mich zum Nachdenken angeregt hat und viele liebe Grüße nach Freiburg von Susanne

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