
Das vierte Tier war ganz anders als alle anderen,
ganz furchtbar, mit eisernen Zähnen und ehernen Klauen,
das um sich fraß und zermalmte und mit seinen Füßen zertrat, was übrig blieb. […]
Und es hatte zehn Hörner auf seinem Haupt.
Daniel 7,19 f
“Daniel, (hebräisch דָּנִיּאֵל), ist die Hauptfigur des nach ihm benannten Buchs im Tanach. Danach war er ein jüdischer Traumdeuter und Seher im babylonischen Exil, dem JHWH, Israels Gott, das Ende der Judäa beherrschenden Weltreiche und das folgende ewige Reich Gottes offenbarte. (…) Das Buch gehört zur biblischen Apokalyptik und wurde als eines der letzten Bücher in den jüdischen Bibelkanon aufgenommen.” (Wikipedia)
Am Mittwoch schrieb Achim Spengler auf seinem Blog A READMILL OF MIND (siehe hier) seine Gedanken zum Coronavirus nieder und begann mit einem Zitat aus der Bibel.
Dieses Zitat verwandelte ich schon beim Lesen in meinen Gedanken in ein Bild und ich setzte mich und zeichnete.
Ich kann noch nicht realisieren, wie der Virus unser Leben einschränkt und auf was für dünnen Beinen Selbstverständlichkeiten wie Toilettenpapier ( 😉 ), Reisen, Bildung, Globalität und das gesellschaftliche Leben stehen.
Aufgrund der Aktualität meines Bildes habe ich meine Zeichnung auch sofort bei singulart eingestellt (Klick zu meiner Präsenz bei der Pariser Galerie singulart) Gerne könnt ihr euch die technischen Daten zum Bild dort anschauen.
Fotos, die während der Arbeit an der Zeichnung entstanden:
For my english speaking readers:
Under the impact of the news of March 12, 2020, Haun sat down at her desk and drew her perspective on the Corona Virus.
The quarantines imposed are just as bad for artists whose profession largely consists of communication as they are for restaurants, theaters and museums. In addition to the virus, Susanne Haun also had a biblical quote in her head that she discovered on the web:
“The fourth animal was very different from all the others, very terrible, with iron teeth and brazen claws, which ate up and crushed itself and with his feet crushed what was left. (…) And it had ten horns on its head. ” Daniel 7.19 f.
Scheint mir sehr an ein Selbstbildnis von Dir angelehnt sein. Wahrscheinlich nur Zufall.
Man sagt ja, dass in jedes Bild ein Stück der Künstlerin, des Künstlers eingeht. Gerade in den Portraits, denn man sieht sich ja jeden Tag im Spiegel.
Liebe Susanne!
Ja, so ein Ereignis wie eine Pandemie knallt ganz schön rein und bewegt uns alle. Die Reaktionen reichen ja von Gelassenheit bis hin zur Panik. Zu beidem könnte ich Beispiele aufzählen – ist aber hier nicht notwendig.Und wie wir damit umgehen werden, das muss sich noch zeigen. Die Erstellung Deiner Zeichnung ist sicher Dein Versuch zu begreifen.
Mir fällt auf: Da kommt ja einiges an apokalyptischer Bibel-Bezogenheit rüber und bedient das Unwohlfühlen bis hin zum Panischen in uns. War das so von Dir gewollt? Denn im Gegensatz dazu steht Deine zeichnerische Ästhetik – übrigens eine sehr gelungene Zeichnung-, die kontrolliert und ohne wehzutun daherkommt. Die Zeichnung findet daher bestimmt einen Käufer.
Dem Beitrag von Achim Spengler kann ich nichts abgewinnen – zu reißerisch, zu wortverliebt.
Wie wird momentan immer wieder gesagt: eine dynamische Situation. Also: pass auf Dich auf, bleib gesund, damit wir uns bald wiedersehen.
Liebe Grüße Juergen
Lieber Jügen,
wie schon an früherer Stelle geschrieben, die Entschleunigung tut mir gut. Panisch bin ich (noch) nicht, ich denke, dass ist entgegen meines Charakters.
Ja, die Zeichnung ist kontrolliert, ich habe über die Komposition lange nachgedacht. Du hast recht, ich versuche mit den Zeichnungen zu begreifen, was da vor sich geht. Die Apokalypse, ein bildgewaltiges Thema in der Bibel, was schon viele Künstlerinnen und Künstler inspiriert hat.
Ich habe schon ab Freitag alle Termine abgesagt und werde auch dabei bleiben. Wie hälst du das?
Ich wünsche dir einen schönen Tag, bleibe auch du gesund, Susanne
Liebe Susanne! Ich habe nur noch zwei Orte, an denen ich mich aufhalte: der Zeichentisch unterm Dach und das Atelier. Die Pandemie lähmt mich thematisch ein wenig für anderes. An unserem „projektohnenamen“ habe ich gestern weitergearbeitet, die OrtsMarken laufen auf totaler Sparflamme und zeichnerisch bin ich mit Lato in der Isolation unterwegs. Ich versuche mich im Arbeitsrhythmus der Isolation zu finden. Aber es geht uns gut, und wir nutzen kommunikativ die vielen Internet-. Kanäle. Gestern gab es die erste familiäre Videokonfrenz mit allen Kindern. Also: wir haben uns eingerichtet und können diesen Zustand über einige Wochen durchhalten – denn es wird dauern.
Liebe Grüße
Juergen
Lieber Jürgen,
ich kann mich einfach nicht zu Videokonferenzen durchringen. Ich weiss, sie sind gerade jetzt große im Kommen. Mein Sohn und ich telefonieren wie immer ganz klassisch.
Wie schon oft geschrieben, ich genieße die momentane Ruhe und es würde mich stressen, viele Video- oder Telefongespräche zu führen.
Viele Grüße von Susanne
Dass Sie meinem Beitrag nichts abgewinnen können, lieber Herr Küster, tut mir leid. Andererseits, ihn als reißerisch und wortverliebt zu qualifizieren, lässt mich wieder einmal hadern mit der überbetonten Schau auf die Form, anstelle sich mit den Inhalten auseinander zu setzen. Die Ereignisse der letzten Tage, was die Verbreitung des Virus anbetrifft, sollten inzwischen jeden zu einer Stellungnahme aufgefordert haben. Und da sind alle formalen Mittel, ob reißerisch oder wort- und zeichenverliebt, willkommen. Auch die Stellungnahme Ihrer Kunst ist vonnöten.
Liebe Grüße
Achim Spengler
Liebe Susanne,
was für eine Zeichnung Dir hier wieder gelingt.
Das vierte Tier, ein Medusenhaupt mit weiblichen wie männlichen Merkmalen und dazu dreiarmig mit den Corona-Geißeln und vierfüßig.
Was ist mit den Fischen: werden sie diese Gestalt verzehren oder andersherum “zermalmt” oder keines dergleichen?
Mit der Darstellung zeigst Du wieder Deine künstlerische Bezugnahme zu Dürer.
Vielen Dank, gute Wünsche
und herzliche Grüße
Bernd
Lieber Bernd,
der Augenblick, ob die Fische die Gestalt oder die Gestalt die Fische zermalmen ist noch offen, vom Standpunkt des Bildes ist der Augenblick der Entscheidung, der Augenblick, wo noch alles möglich ist, festgehalten.
Dürer war ein großartiger Darsteller der Apokalypse.
Viele Grüße nach Nürnberg von Susanne
Danke, liebe Susanne,
so gesehen ist im Augenblick alles offen – wie es dem Kunstwerk gebührt.
In den nächsten Tagen wird Zeit sein, Anlass und womöglich Muße, den Dürer näher zu betrachten.
Herzlichen Dank, gute Wünsche und Grüße
aus Nürnberg, Bernd
Ja, Bernd, Zeit, dieses so kostbare Gut, werden wir in der nächsten Zukunft in fülle geschenkt bekommen. Ich nehme dieses Geschenk an und erhohle mich von dem Streß der letzten Zeit. So dass ich nicht kranke werde, oder der Virus bei mir in der harmlosen Form vorkommt. Das ist ja irgendwie das, was wir uns alle wünschen.
Viele Grüße aus Berlin, Susanne
Danke Dir mit besten Wünschen
Herzlich Bernd
Na, liebe Susanne, das will ich dann doch nicht hoffen, dass wir in die Phase des Weltendes eingetreten sind. Denn das war ja die Deutung des Traumes, die Daniel gehabt hat: Jedes Tier steht für ein Weltreich, das vierte Tier steht für das schlimmste, das letzte Weltreich (man hat lange gedacht, damit wäre das römische Reich gemeint), in dem es heiss hergeht und dessen Ende dann mit dem völligen Ende der Welt zusammenfällt …..
Alles Gute in Zeiten von Corona!
Danke für deine Erläuterungen, Martin, die ich wie immer sehr schätze. 🙂
Ich glaube natürlich daran, dass die Welt bestehen bleibt und nicht in sich zusammenfällt, aber ich denke, dass der Virus und die Maßnahmen dagegen ein Dämpfer für die immer aroganter und ignoranter werdenden Weltbürger ist.
Auch euch alles Gute! Ihr lebt ja in einem Gebiet was in Deutschland besonders betroffen ist. Ich hoffe, ihr passt gut auf euch acht.
Liebe Grüße von Susanne
Liebe Susanne,
ganz großartig ist dir dein Bild gelungen. Vor allem der Bezug auf die aktuelle Katastrophe ist überdeutlich. Und im Gegensatz zu einem meiner Vor-Kommentatoren sehe ich hier keinen Widerspruch zwischen der Ästhetik und der Ernsthaftigkeit dessen, was sie inhaltlich transportiert. Das vierte Tier und die Bezüge zum menschlichen Zwitterwesen, da verschwimmen die Grenzen und es wird deutlich, dass die Apokalypse nicht einfach so vom Himmel fällt oder aus dem Meer steigt. Sie ist als Wirkung näher an ihrer oftmaligen Ursache Mensch, als so manchem/mancher in diesen Zeiten lieb ist.
Liebe Grüße
Achim
Lieber Achim,
die Arroganz der Menschen erhält einen anständigen Dämpfer. Natürlich glaube ich fest daran, dass wir gestärkt aus der Katastrophe hervorgehen und vielleicht sogar etwas dabei lernen?
Aber der Mensch ist ein Mensch und wahrscheinlich wird in 5 Jahren alles wie ein böser Traum scheinen.
Liebe Grüße von Susanne