„Erinnern heißt Vergessen“ – Zeichnungen von Susanne Haun

In meinem Kopf hat sich eine Gedankenkette inklusive Reizüberflutung gebildet.

In einer solchen Kette fliessen viele meiner Gedanken, die ich aktuell habe, vom Kopf in die Bilder.

Ich und meine Seele (c) Fotoüberlagerund und Zeichnung von Susanne Haun
Ich und meine Seele (c) Fotoüberlagerund und Zeichnung von Susanne Haun

Heute vermischt sich Christoph Schlingensief mit Seele und Gehirn.
In der Bücherei habe ich mir „Christoph Schlingesief, Deutscher Pavillion 2011, 54. Internationale Kunstausstellung La Biennale Di Venezia“, ausgeliehen.
Im Buch schreiben Kollegen, Historiker, Jounalisten und Sammler über Schlingensief.

Der theaterschaffenden Carl Hegemann schrieb das Kapitel „Erinnern heißt Vergessen“ und zitiert gleich im ersten Absatz Boris Groys:
„Wenn eine Kunst wie Kunst aussieht, gilt sie nicht als Kunst, sondern als Kitsch. Wenn die Kunst wie Nicht-Kunst aussieht, ist sie einfach Nicht-Kunst.“

Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir“ hat Schlingensief sein Fluxus-Oratorium (Bühneninstallation) genannt. Riesige Röntgenbilder seiner Lunge, seines Geschwürs, werden gezeigt, zusammen mit einem Hasen und Bilder von Menschen, die alle verzweifelt und gequält aussehen. Am besten ihr geht hier auf die Homepage des Projekts.

Versteht ihr mich jetzt?

Wie bin ich zu meinen heutigen Bildern gekommen? Wie kann die Erinnerung gleichzeitig Vergessen sein und was sagt der Satz von Groys aus?

In den letzten 5 Jahren sind wiederholt Angiografie Aufnahmen von meinem Gehirn gefertigt worden.
Wenn ich davon ausgehe, dass die Seele das Gehirn ist, dann habe ich Fotos meiner Seele.

Ich nahm die Bilder von meinem Gehirn, schaute sie mir an und fragte mich, ob das wirklich ein Abbild meiner Seele sein soll?

Ich (c) Foto und Zeichnungsüberlagerung von Susanne Haun
Ich (c) Foto und Zeichnungsüberlagerung von Susanne Haun

Ich brauchte eine Woche, um mich zu entscheiden diese intimen Bilder meiner selbst zu überlagern und dann hier zu zeigen.
Und ich brauchte eine weitere Woche, um diese Überlagerungen mit den Portraits technisch zu meiner Zufriedenheit zu realsisieren.

Was bedeutet erinnern? Mein Blog ist ein großer Teil meiner Erinnerung,  meiner zeichnerisch, künstlerischen Erinnerung. Bildung basiert auch auf Erinnerung. Das ist aber eine „innere Erinnerung“ eine Erinnerung auf uns selbst bezogen. Nach außen bezogen lautete die Frage, wie erinnern wir uns an Verstorbene? Schlingensief hat eine breite Spur für uns zur Erinnerung hinterlassen. Wan verblaßt die Erinnerung? Und ist das, an was wir uns in Bezug auf Schlingensief erinnern, wirklich auch das, was er sagen wollte.

Zur Erinnerung kommt immer die Wahrnehmung hinzu und schon haben wir wieder tausende von Wahrheiten.

Lassen sich diese Wahrheiten mit den Verästelungen des Gehirns erklären? Was sehe ich auf den Bildern meines Gehirns nun wirklich … ich bin skeptisch, dass diese Fotos meine Seele darstellen sollen. Muss da nicht mehr sein?

Nun kommen wir zu Groys. Er ist generell schwer zu verstehen und so ein einziger Satz aus dem Kontext genommen ist natürlich immer problematisch. Ist ein Röntgenbild Kunst? Und wenn ja, wer ist dann der Künstler? Die Radiologin? Es ist ein Abbild wie ein Foto wie ein Portrait!

Denken wir an Duchamps readymades, das Pissoir. Der Künstler ist der, der die Arbeiten in die Galerie bringt, sie zum Kunstwerk erhebt. Duchamps schrieb übrigens noch auf dem Pissoir.

Ich und der Baum (c) Fotoüberlagerung von Susanne Haun
Ich und der Baum (c) Fotoüberlagerung von Susanne Haun

Es war nicht einfach, die Röntgen – Bilder zu bearbeiten. Das erste Bild sieht auf dem ersten Blick unbearbeitet aus, ist es aber nicht. Ein Teil der Verästelungen entstand schon  durch Überlagerung beim Fotografieren. Ich musste die Bilder an meiner Balkontür anbringen, um genügend Licht zum fotografieren zu haben. Dabei habe ich gemerkt, dass die Bilder sich überlagern. Ich habe probiert und entscheiden, die kahlen Äste der Linde vor meinem Balkon sind perfekt in meinem Gehirnfoto. Die Unruhe um den Kopf habe ich einfach geschwärzt.

For my English-speaking readers:
In my head there is a chain of thoughts were completely overwhelmed has formed.
In such a chain flow many of my thoughts that I have known, from the head to the images. I took the pictures of my brain, she looked at me and asked me if it should really be a reflection of my soul? I work with them.

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Gaensheimer, Susanne. Hrsg. Christop Schlingesief, Deutscher Pavillion 2011, 54. Internationale Kunstausstellung La Biennale Di Venezia. Venedig 2011.

30 comments

  1. Eindringliche Gedanken sind das von Dir. Wir sprechen darüber miteinander und stellen uns Fragen.
    Was Deine, meine, unsere Seele sei … wer weiß es.
    Wo man sie suchen soll oder finden könnte … wir wissen es nicht.
    Vielleicht spiegelt sie sich am ehesten noch in Deinen Bildern und Gedanken … jedenfalls für uns.
    Liebe Grüße, mb und dm

    1. Danke, mb und dm,
      ja meine Gedanken und Bilder das bin ich.
      Über Bilder entscheide ich auch oft, ob mir ein KÜnstler symphatisch oder unsymphatisch ist. Ob das nun richtig oder falsch ist, ich weiss es nicht.
      Einen schönen Advent Samstag wünscht euch Susanne

  2. Another excellent post. Why is it that people try to imprison „art“ with a definition? The first person that came to my mind when you discussed the soul was Carl Jung: “Your vision will become clear only when you can look into your own heart. Who looks outside, dreams; who looks inside, awakes.”

    1. I think it is essential looking into yourself and also beeing with yourself alone. I’m not talking about the negative occupied solitude. I like being alone. Not always, I’am gladly discus and talk with others but somtimes. It must be in horizontal.
      Have a nice „before-christmas-day“ Susanne

    2. Dear Clanmother,
      we have to define art otherwise it becomes a relativistic notion expressing nothing. But, of course, those definitions have to change with the zeitgeist.
      For me art is the connection of the inside of the artitist and the history and means of production of his his time. If the subjective, the inside, is not formed in an objective way („objective“ meaning a way that the recipients can understand) than I would not call that art. For me at least art is form and that`s above or beyond the heart of the artist.
      That was just an idea before I leave for the garden
      Klausbernd

      1. Great comment. But when you get too complicated, it leaves most people out of the dialogue because they feel that their thoughts and emotional responses are not „correct.“ My concern is that the funding for all art forms – performing/musical etc are drying up because most think they bear little relevance to their lives. They are more apt to go into quantitative pursuits like the science and finance rather than literature and fine arts. My background is in the quantitative field. Now, I am „catching up.“ And it is a delight and privilege to have these discussions – so thank you!!!

        1. Yes, Clanmother, you have right.
          I give to remember that not all minds fits to all people.
          But I want to write and to draw my opinion and my thoughts.
          The articel about my brain and the soul don’t like a lot of people.
          My statistic said that half of people have showed about it as an articel about flowers.
          But that’s okay…. we talk about it and that is important, very impotand for me, sure.
          Creativity helps the people in science and finance. I think the best are the creativities because they find new ways to do their work.
          So, I want to draw and to have a walk to the snow to sort my thoughts.
          Have a nice day Susanne

          1. Well said! Without artistic endeavours, humanity cannot fully embrace the joy of existence. The scientific community is more in turn with this reality. And I have great hopes that finance will soon, too! I agree that we need to discover new ways to work, earn a living and move forward with a greater understanding that we are a community, rather than individual silos. Thank you so much for your thoughts…

            1. Dear Clanmother,
              this year on the documenta art and science swirled together. I like that. There was a room with genetic informations in vitro. And another room you can get copys of work from the artists. Art change and talking about that is the best way to go forward.
              Greatings from Susanne

      2. Dear Clanmother and Klausbernd,
        I like it to look at the art in the historical context. It is as I never see the picture right before I know all about the century it was painted and about the life of artist. It is difficult to impossible to do that for every work I’m seeing, I know!
        The rezipient, the work, the artist, the century on all them result the work of the artist. Perhaps from the discussion with others, too.
        I think the heart of the artist is an important part of the art. Only when the artist works with heart and soul to his factory, it is honest and authentic.
        Greetings Susanne

    1. Danke, ee.
      Ich habe sogar eine Mail bekommen, in der mich der Schreiber nach den Beweggründen gefragt hat, diesen intimen, intensiven Beitrag zu veröffentlichen.
      Diese Arbeiten und mein Gehirn ist ein großer Teil meiner Kunst. Kunst ist Kommunikation, Austausch von Gedanken.
      Wenn ich ausgerechtnet diese Arbeit nicht zeigen würde, dann bräuchte ich auch keine andere Arbeit von mir zeigen.
      Ist die Hefigkeit nicht das, was auch die Kunst ausmacht?

  3. Dear Susanne,
    just some words about art and kitsch. Mukarovsky (Prague Structuralism): If some artefact fullfills the expections of the recipient it is kitsch. I like this definition. For Mukarovsky art means changing the horizon of expectations.
    And about the ramification, you mentioned above: In the French and Italian neo-structuralism Deleuze and Guattari coined the phrase „rhizomatiks“. Well, the idea was that everything can been seen connected and growing like in the rhizoms one finds in nature. It`s a metaphor describing our thinking and perception. Are not your pictures „Ich und der Baum“ expressing the same idea? I really like those pics – kind of philosophical art.
    Habe a great weekend
    Klausbernd

    1. Oh, my dear!
      Klausbernd, your are asking me, I will try to answer in english language, it exerts me and I come to speak English in a better way.
      I like the texts of Deleuze. Two years ago, I heard a interview on youtube (with german translation 🙂 ).
      Special I like the quote:
      “In der Kunst geht es nicht um Reproduktion oder Erfindung von Formen, sonderm um das Einfangen von Kräften.”
      A wrote here in my Blog http://susannehaun.com/2010/11/01/die-kraft-der-kunst-deleuzes-zeichnung-von-susanne-haun/ about it.
      Unfortunately I have’t had the time to pursue other texts Deleuze. Life is really to short!
      I don’t know anything about Guattari – I will see them later.
      I like the thougt our brain grows up like the nature. Special I think on a old tree or shrub with his ossified branches. They told a lot of stories and wisdom.
      So on, the next theme: Kitsch!
      I had an experience to what fits to Mukarovsky (I don’t know hin since you talk about him).
      Nevertheless, I want to say this experience change my mind to Jeff Koons and Damien Hirst and so on.
      Years ago I was with my damals 12 years old son in the Neue Nationalgalerie. We was sit on a bench looking in the great hall with works from Jeff Koons. Before us, there where a big golden Dog formed from a big golden ballon. I thought about art and kitsch, we don’t talk about it. Suddenly my son drew my attention to the reflections on the dog, he said there was whole Berlin inside it. He saws the Potdamer Platz and if he goes arround the dog he saw still other view.
      He found it was the best! After that, he didn’t like the paintings in the Underground.
      Today he is 18 and he lost for a while this gift to see. But I hope he will find it back later.
      I don’t know Mukarovsky but I think I know a little bit what he’s meaning.
      Do you remember my articles about art?
      In the 4th I wrote about art and philosophy. http://susannehaun.com/2012/11/20/kunst-kunst-teil-4-und-fur-immer-jung-collagen-von-susanne-haun/
      They approach more and more ….. but I’m not in the opinion that art can be fall away!
      Have a great weekend (what is weekend, do you interrupt your thoughts? 🙂 🙂 🙂 🙂
      Susanne

      1. Liebe Susanne,
        wir müssen doch nicht in Englisch parlieren.

        Also dieser Mukarovsky war einer der wichtigsten Vertreter der sogen. Prager Schule, der auch Tynjanow und Eijenbaum (ich erinnere mich nicht mehr richtig, wie man den schreibt :-() nahestanden. Diese Schule entstand aus der Auseinandersetzung mit dem russischen Formalismus. Zusammen mit Boas kann man die Prager als frühe Strukturalisten ansehen. Dadurch dass viele ihrer Anhänger ins Exil getrieben wurden, verbreiteten sie ihre Gedanken in Frankreich und den USA. – Aber das ist Spezialwissen, das man wirklich nicht kennen muss. Interessant an Mukarovsky finde ich, dass Ideen von ihm wieder bei Andy Warhol auftauchen und in der Diskussion, was wird als Kunst, Kitsch und Nicht-Kunst rezipiert.
        Liebe Grüße von der Küste Nord-Norfolks
        Klausbernd 🙂

        1. Lieber Klausbernd,
          da bin ich aber froh, dass wir auch deutsch diskutieren können 🙂 🙂

          Es ist sehr interessant, welche Wege die Ideen der Kunst nehmen. In meinem Kopf entstand sofort eine Parallelbild zu den Völkerwanderungen während der Entwicklung des Menschen. Heute verbreitet sich die Kunst durch das Internet viel schneller. Irgendwo habe ich allerdings gelesen, dass das Internet oder die Computerkunst selber wenig in den großen Ausstellungen gezeigt wird.

          Der russische Formalismus hört sich sehr interessant an. Ich weiss nicht, ob Michail Bachtin mit seinen Chronotopos dort auch hineingehört.
          Seufz, hätte der Tag doch bloß ein paar Stunden mehr, es gibt so viel, mit dem sich die Auseinandersetzung lohnt. Ich muss mich morgens immer sehr diziplinieren, um erst für meine Ausstellungs- und Manusskriptermine zu arbeiten.

          Warhol empfinde ich als sehr interessante Gestalt.
          Ich glaube mindestens drei mal stand ich dieses Jahr im Hamburger Bahnhof vor seinem großen Mao aus der Sammlung Marx.
          Wenn ich diese riesigen Bilder sehe und sie mit den kleinen Drucken in den Kunstbüchern zu Warhol vergleich bin ich fassungslos was Präsentation und Größe vermögen. Kennst du den Warhol Raum im Hamburger Bahnhof?

          Ich schreibe dann mal beim nächsten Kommentar weiter ….. 🙂

  4. Danke, dass Du uns diese Deine wichtigen Arbeiten zeigst, Susanne! Für mich persönlich ist es nicht wichtig, Deine Bilder wirklich zu verstehen. Du schenkst mir Deine Ideen und ich schaue, was ich für mich darin finden kann. Vielleicht nehme ich etwas anderes mit, als Du beabsichtigt hattest, aber gerade das macht es so spannend, finde ich.
    Ich nehme mit: Deine Verschmelzung zwischen Gehirn und Baum, zwischen innen und aussen, zwischen Wissen und Nichtwissen, zwischen Wollen und Nichtwollen, zwischen Suchen und nicht suchen müssen.
    Ohne die Suche nach der Seele würde so manche Idee nicht in die Welt gesetzt! Also: Gut, dass Du fragst! Ich weiß auch keine Antwort. Ich würde sie allerdings nicht im Gehirn suchen. Es sucht wohl jeder woanders und es ist immer spannend, sich darüber auszutauschen. Die Frage nach der Seele ist vielleicht genauso unbeantwortbar wie die Frage danach, was Kunst ist. Vielleicht gibt es da ja einen Zusammenhang 😉
    Ich hoffe nicht, dass der Grund für die Aufnahmen Deines Gehirns schwerwiegende medizinische Gründe hat und wünsche Dir hiermit Gesundheit, Glück und Erfolg und alles was Du brauchst, um uns weiterhin mit Deinen Ideen zu bereichern.
    Alles Liebe
    Magdalena

    1. Liebe Magdalena,

      keine Frage, mir gefallen Susannes Arbeiten auch gut. Natürlich macht jeder im Prozess der Betrachtung aus einem Artefakt sein ästhetisches Objekt. Dennoch widerstrebt es mir anzunehmen, dass die Frage nach der Kunst unbeantwortbar sei. Das führt für mich in einen Relativismus, der Kunst diskreditiert. Ich will damit sagen, Kunst ist keineswegs nur vom Subjektiven her zu verstehen ist. Die Seele, wenn wir die als unser Gefühl definieren, wurde in der Romantik als für die Kunst wesentlich erachtet (was weitgehend mit einer Überlegung zur Taktik in den Befreiungbemühungen des Bürgertums damals zusammenhing). Heute hat sich m.E. die Kunst von dieser Subjektivität befreit und Susannes Kunst rezepiere ich als Kommunikation mit dem Betrachter und auch, dass ein Anliegen damit verbunden ist, das verstanden werden möchte. In dem Sinne, meine ich, sollte man sich bemühen, die Arbeit von Susanne dadurch zu ehren, dass man sie zu verstehen sucht. Angesichts eines Kunstwerks wird doch der Intellekt nicht an der Garderobe abgegeben. So wie sich Susanne Gedanken beim Produzieren macht, so sollte sich der Betrachter auch Gedanken beim Rezipieren machen. Und insofern sehe ich die Gehirnmetapher als passenden Hinweis darauf.

      Liebe Grüße von der Küste Norfolks
      Klausbernd

      1. Lieber Klausbernd,
        zuerst einmal freue ich mich natürlich, dass dir meine Kunst gefällt, dass du sie wertschätz und dass du sie auch verstehen willst.
        Natürlich möchte ich nicht „nur in die Welt schreien“ und keinen Fänger für meine Gedanken haben.

        Ein wenig bin ich auf deinen Kommentar schon bei der Beantwortung von Magdalenas Kommentar, zu dem du schreibst, eingegangen.

        Das ich auch der Meinung bin, dass Kunst nicht nur subjektiv wahrgenommen werden sollte, dass weißt du nehme ich an.

        Aber ich denke auch, dass jeder Rezipient seine eigene Wahrheit mit in meine Arbeit bringt.

        Ich denke bei der Erstellung meines Werkes nicht über den Rezipient nach, sondern nur über das, was ich ausdrücken möchte. Aber ich schreibe auch sehr gerne zu den Werken. Das ist nicht ungewöhnlich nehme ich an, wenn ich an die vielen, vielen Künstler Traktate und Manifeste und Autobiografien denke.

        Mir gefällt dein Satz „Angesichts eines Kunstwerks wird doch der Intellekt nicht an der Garderobe abgegeben.“
        Er spiegelt eine große Meinung der Bevölkerung (ich weiss, wer ist die Bevölkerung) wieder; das ist Kunst, das muss ich nicht verstehen und Künstler haben so oder so wirre Gedanken und sind ein wenig verrückt. Oft höre ich von meinem Publikum, du bist Künstler, du darfst sowieso alles. Ich frage mich dann, ist das so? Darf ich alles…??? ich komme immer wieder zu dem Schluss, dass ich nicht alles darf.

        Es ist spät und ich bin langsam zu müde für weitere Gedanken…. und ehe ich wirklich wirres Zeug schreibe, wünsche ich dir eine Gute Nacht,
        liebe Grüße Susanne

    2. Danke für deinen Kommentar, Magdalena.
      Ja, es ist spannend, sich über die Seele auszutauschen.
      Die Kunst ist in jeder Zeit definiert, diese Definition ist allerdings dem Wandel unterworfen, abhängig vom Zeitgeist.
      Ich mag es, wenn ich die Kunst, die ich sehe, auch verstehe. Das ist nicht immer einfach.
      Auf der documenta bin ich da dieses Jahr sehr gefordert worden. Ich gehe an die Betrachtung immer zuerst emotional heran so wie du es auch für dich beschreibst. Dann sehe ich zu, dass ich persönliche Statements vom Künstler zu seinem Werk finde. Danach lese ich alles über den Künstler und die Bilder, was schon andere geschrieben haben. Ist das Werk älter, muss ich mich auch mit der Zeit auseinandersetzen, in der es entstanden ist.
      Kunst ist Kommunikation.
      Ich mag das erforschen der Werke, es ist eine Herausforderung wie eine neue Sprache, die ich lernen.
      Ein sehr gutes Zitat von Diego Rivera zur bildenden Kunst begleitet mich schon lange: „Für mich ist die Kunst der Sprache vergleichbar. Sie ist we das Wort ein Ausdrucksmittel, und ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, wieviel Worte ich bisher gesprochen habe.“
      Das Zitat spricht mir aus der Seele, weil es den Zwang zum Erzählen eben im Zusammenhang mit der Kunst sehr gut beschreibt.
      Ich freue mich, wenn ich dich mit meinen Ideen bereicher und wünsche dir einen schönen Abend
      Susanne

  5. Bild gleich Seele gleich Gehirn?
    Nein – wir würden doch auch den Tanz nicht mit dem Bild der Muskeln gleichsetzen!
    Baum – optisch verwandt, Dendriten (dendron, griech. = Baum) sagt man auch für Verzweigungen von Nervenzellen.
    Das Röntgenbild sieht aus wie Nicht-Kunst. In Deiner Bearbeitung wird es Teil Deiner Kunst.

  6. Lieber Klausbernd, danke für Deine ausführlichen Gedanken. Genauer wollte ich sagen: Ich glaube an keine allgemeingültigen Definitionen weder für „Kunst“ noch für „Seele“. Ich wollte nicht so verstanden werden, dass ich mir keine Mühe geben möchte, Susannes oder irgendjemand anderes Arbeit zu verstehen. Ich gehe allerdings davon aus, dass durch das Betrachten und die Auseinandersetzung mit Kunst immer auch die eigene Sichtweise einfließt. Ich finde Susannes Ausführungen sehr wichtig und erhellend. Deshalb beteilige ich mich auch gern an dieser Diskussion. Dennoch werde ich sicherlich nicht dasselbe empfinden, was Susanne beim Schaffensprozess in ihr Werk einfließen lassen hat.
    So sehe ich auch die Frage, was Kunst ist und eben so gestaltet sich das Leib-Seele-Dilemma. Es gibt immer mehrere Standpunkte, die manchmal unvereinbar scheinen. Eine Auseinandersetzung lohnt sich und tut der Kunst gut genauso wie der „Seelensuche“. Manches jedoch verlangt geradezu nach Überwindung des Intellekts, um neue Zugänge zu finden.
    Was Elisabeth schreibt, finde ich sehr passend: Das Röntgenbild wird Teil der Kunst durch Susannes ganz eigene intellektuelle und intuitive Auseinandersetzung. Eine weitere „Ermächtigung“ braucht Susanne nicht von irgendjemand einholen.
    Liebe Grüße aus Hamburg
    Magdalena

    1. Liebe Magdalena,

      du hast recht, ich brauche keine Ermächtigung für meine Kunst! So oder so nicht.

      Ansonsten habe ich, glaube ich, in den vorangegangenen Beiträgen alles geschrieben, ich bin jetzt schon so müde, und antworte dir lieber morgen nochmal genauer.

      Liebe Grüße aus dem Norden Berlins ….. ich sage immer fast schon in Hamburg 🙂 sendet dir Susanne

    2. Danke, liebe Magdalena, oh dear, da habe ich dich falsch verstanden. Wie du es jetzt formulierst, stimme ich mit dir überein. Auch ich bin nicht für eine normative Ästhetik. Aber du brachtest mich auf eine Idee: Ist es vielleicht diese Spannung unvereinbarer Standpunkte, aus der Kreatives hervorgeht?
      Liebe Grüße von der Küste Norfolks
      Klausbernd

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